Berlin/Hamburg.

Die große Koalition und die Grünen streiten sich um die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. Die Grünen wollen sich erst am Freitag endgültig entscheiden – dann soll das Asylgesetz im Bundesrat verabschiedet werden. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sucht das Gespräch mit ihnen. Die Ökopartei könnte ein Entgegenkommen in einer anderen strittigen Frage fordern. Die wichtigsten Fakten:

Warum sollen die Maghreb-Staaten für sicher erklärt werden?

Die Bundesregierung möchte Tunesien, Algerien und Marokko als sicher einstufen, um Asylbewerber schneller abschieben zu können. Die Asylquote bei Migranten aus diesen Ländern ist gering. Das Gesetz soll Menschen abschrecken, die eine Flucht nach Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen planen. 2014 und 2015 hat die Bundesregierung sechs Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt – und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stimmte zu. In der vergangenen Silvesternacht von Köln gab es massenhaft sexuelle Übergriffe auf Frauen - vor allem durch Migranten aus nordafrikanischen Ländern. Seither plant die Bundesregierung, die Maghreb-Staaten als sicher einzustufen.

Welche Bedenken gibt es gegen die Entscheidung?

Menschenrechtler und Opposition kritisieren die Pläne der Regierung. Für sie sind die Maghreb-Staaten alles andere als sicher. In allen drei Ländern gibt es ihrer Ansicht nach systematische Menschenrechtsverletzungen. Der grüne Parteilinke Jürgen Trittin warnt Kretschmann vor einer Zustimmung. „Homosexualität wird in allen drei Ländern mit Gefängnis bestraft, es kommt zu Verfolgung von Journalisten und Oppositionellen und in einigen Polizeistationen wird Folter als normales Mittel der Beweisführung angesehen“, sagte Trittin dieser Zeitung. Die grüne Bundestagsfraktion habe geschlossen dagegen gestimmt, „und ich begrüße, dass sich sehr viele grün-regierte Bundesländer dieser Haltung anschließen“.

Wie sind die Machtverhältnisse im Bundesrat?

Die große Koalition hat keine Mehrheit in der Länderkammer. An zehn von 16 Landesregierungen sind die Grünen beteiligt. Also braucht Schwarz-Rot die Zustimmung aus mindestens drei Ländern, in denen die Grünen mitregieren. Entsprechend hoch ist der Druck. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnt die Grünen vor einer Ablehnung, diese sei „pure sinnlose Ideologie“. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte dieser Zeitung gesagt: „Die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus den drei Maghreb-Staaten ist äußerst gering, zum Teil liegt sie unter einem Prozent.“ Eine solche Einstufung heiße ja nicht, dass das Recht auf Asyl für Menschen aus diesen Staaten wegfalle, betonte der Vizekanzler.

Wie verhalten sich Grünen in den
Bundesländern?

Unklar ist, wie Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt im Bundesrat abstimmen werden. In Hamburg wird sich der rot-grüne Senat nach Informationen dieser Zeitung nicht einigen. Während der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) dafür ist, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, sind die Grünen strikt dagegen. Somit gehen alle Beteiligten von einer Enthaltung des Stadtstaates im Bundesrat aus. Auch Nordrhein-Westfalens rot-grüne Koalition und andere Länder werden sich bei der Abstimmung wohl enthalten.

Die Grünen geben sich gelassen. „Wir haben Zeit“, sagt ein Realo. „Wir springen nicht über jedes Stöckchen, das die große Koalition uns hinhält“, sagt ein Parteilinker. Falls Altmaier keinen guten Kompromiss anbietet, könnte nach der gescheiterten Abstimmung im Bundesrat der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

Was bedeutet der Streit für die erste grün-schwarze Landesregierung?

In Baden-Württemberg braut sich aktuell ein heftiger Koalitionskrach zusammen. Ministerpräsident Kretschmann steckt in einer Zwickmühle: Er bekommt Druck von seinen Parteifreunden im Bund und in den Ländern. Und er bekommt Druck von der CDU im Ländle. Heißt: Wie er sich auch entscheidet, es wird unangenehm. Im noch frischen grün-schwarzen Koalitionsvertrag steht, dass die Regierung für die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer stimmen wird. Allerdings gibt es einen Zusatz: Es müssen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Auf diesen juristischen Passus zieht sich Kretschmann bisher zurück. Es bleibe noch Zeit zu prüfen, ob den Kriterien des Bundesverfassungsgerichtes für so eine Einstufung Genüge getan wird, sagte Kretschmann am Dienstag.

Bei den Grünen wird nicht damit gerechnet, dass es am Freitag einen Showdown im Bundesrat gibt. Wahrscheinlich wird in der Nacht vor der Sitzung weiter verhandelt. Vor der Bundesratssitzung könnte dann eine mögliche Einigung verkündet werden.