Berlin.

Nach zahlreichen Morddrohungen und Beleidigungen wegen ihrer Zustimmung zur Armenien-Resolution erhalten die elf türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten verstärkten Polizeischutz. Eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) sagte, es werde „alles Notwendige veranlasst, um die Sicherheit der Mandatsträger jederzeit zu gewährleisten“. Innenminister Thomas de Maizière sagte, die Bedrohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete seien nicht zu akzeptieren.

In Parlamentskreisen wurden Meldungen bestätigt, wonach es Gespräche der Sicherheitsbehörden mit den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern gegeben habe, danach seien die Maßnahmen verstärkt worden. Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) zufolge wurden Sicherheitsmaßnahmen sowohl im beruflichen wie im privaten Umfeld der Parlamentarier ergriffen. Auch de Maizière sagte, selbstverständlich würden die Sicherheitsmaßnahmen – wenn erforderlich – angepasst.

Nachdem die elf Parlamentarier von CDU, SPD, Grünen und Linken nicht gegen die Armenien-Resolution gestimmt hatten, hatte sie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan scharf angegriffen und unter anderem Bluttests gefordert. Danach brach ein Sturm von Drohungen und Diffamierungen gegen die Abgeordneten los. In der Resolution werden die Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet. Präsident Recep Tayyip Erdoğan verunglimpfte die elf türkischstämmigen Abgeordneten als verlängerten Arm der verbotenen PKK. Ihr Blut sei verdorben und müsse getestet werden.

Grünen-Chef Cem Özdemir berichtete als Initiator der Resolution von Drohungen gegen ihn wie: „Irgendwann werden Deine deutschen Freunde das vergessen haben – wir nicht. Oder: Wir finden Dich überall.“ Dies müsse man ernst nehmen, dürfe sich aber nicht einschüchtern lassen, sagte er der „FAS“. Die CDU-Abgeordnete Cemile Giousouf berichtete, Beleidigungen richteten sich auch gegen ihre Eltern und Familie. Nach einem Bericht des „Spiegel“ empfiehlt das Auswärtige Amt in einer internen Einschätzung den türkischstämmigen Abgeordneten, in nächster Zeit nicht in die Türkei zu reisen. Für ihre Sicherheit könne nicht garantiert werden.

Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) sagte der „Bild am Sonntag“, sie erwarte von den türkischen Verbänden, „dass sie die Drohungen gegen uns Abgeordnete deutlich verurteilen und zu einer Versachlichung der Debatte beitragen“. Die Abgeordneten stünden zu ihrer Herkunft, seien aber „kein verlängerter Arm der Türkei“. Die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte in dem Blatt, wer in der Türkei zu Gewalt gegen deutsche Bundestagsabgeordnete aufrufe, sollte ein Einreiseverbot bekommen. „Dazu gehört auch Präsident Erdoğan.“ Auch Özdemir forderte in der „FAS“, die türkischen Organisationen müssten die Mordaufrufe verurteilen. Der Sprecher der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Murat Kaymann, sagte: „Beschimpfung und Bedrohung von Parlamentariern sind nicht hinnehmbar, sondern entschieden zu verurteilen.“ Dazu gebe es „kein Wenn und kein Aber“.

Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht das deutsch-türkische Verhältnis nachhaltig beschädigt. Es gehöre „zu den bedauerlichen Nebenwirkungen dieser jüngsten Auseinandersetzung, dass die ohnehin in der deutschen Öffentlichkeit vorhandenen Zweifel an der Verlässlichkeit dieses Partners durch die jüngsten Erfahrungen, vorsichtig formuliert, nicht ausgeräumt sind“, sagte Lammert in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ auf die Frage, ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nach dem jüngsten Vorfällen noch ein verlässlicher Verhandlungspartner sein könne.