Berlin. Exklusiv-Umfrage: Die meisten Deutschen trauen dem Außenminister zu, Joachim Gauck im kommenden Jahr als Bundespräsident nachzufolgen

    Die Suche nach dem Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck gilt in den Parteien schon jetzt als schwierige Geheimsache – erst im Herbst will die Kanzlerin einen Vorschlag machen, wie sich die anderen Parteien dann bei der Wahl im Februar 2017 positionieren, ist offen. Dabei wäre alles ganz einfach, wenn die Parteien auf die Bürger hören würden: Überraschend klar will eine Mehrheit der Deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als nächsten Bundespräsidenten sehen – ihm vor allem trauen sie zu, das Amt auszufüllen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag unserer Redaktion. Wird die Präsidentensuche also doch schneller gehen als gedacht?

    Bei der repräsentativen Befragung zeigte sich für Steinmeier ein eindeutiger Vorsprung vor anderen derzeit gehandelten Kandidaten: 52 Prozent trauen ihm das Amt zu, der Zweitplatzierte Wolfgang Schäuble kommt nur auf 35 Prozent. Lediglich in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen büßt Steinmeier seine Favoritenrolle ein: 33 Prozent vereint er auf sich, Schäuble kommt auf 42 Prozent. Der Außenminister genießt bei Wählern von Union und FDP sogar noch etwas mehr Vertrauen als bei SPD-Anhängern. Seine Beliebtheit ist im Westen (54 Prozent) größer als im Osten (43 Prozent).

    Dass Steinmeier auch der Favorit der SPD für das Amt wäre, ist intern längst klar. Zusammen mit Gauck führt er in Umfragen die Liste der populärsten Politiker an. Der 60-Jährige gilt als seriös, vertrauenswürdig und hat als Außenminister eine starke mediale Präsenz. Das Problem: Für Steinmeier ist nach Lage der Dinge derzeit keine Mehrheit bei der Präsidentenwahl am 12. Februar 2017 in Sicht – ob ihn die SPD überhaupt nominiert, ist da ungewiss. Die Union signalisiert bisher, dass sie so kurz vor den Bundestagswahlen im September 2017 keinen SPD-Politiker unterstützen will. Und als rot-rot-grüner Kandidat, der im dritten Wahlgang in der Bundesversammlung vielleicht durchsetzbar wäre, eignet sich Steinmeier nicht – die Linke wirft ihm eine militaristische Außenpolitik vor, will ihn nicht unterstützen. Doch womöglich ist für die Union der klare Bürgerwille doch ein Auftrag? Steinmeier jedenfalls schließt nichts aus: „Wir werden sicher auch in der SPD in den nächsten Tagen und Wochen miteinander beraten“, sagt er vage zu seiner Rolle im Präsidentenpoker.

    Unter den Unionspolitikern, die für das Präsidentenamt gehandelt werden, liegt Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 35 Prozent etwas vor Bundestagspräsident Norbert Lammert und deutlicher vor Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Schäubles stärkste Bank sind nicht die Unionswähler, sondern FDP-Sympathisanten. Auffallend: Im Norden und im südlichen Ostdeutschland ist sein Rückhalt schwach, stark dagegen in Süddeutschland und besonders gut im Nordosten, wo Schäuble sogar mehr Vertrauen findet als Steinmeier.

    Während Steinmeier etwas stärker von Männern als von Frauen unterstützt wird, ist es bei Schäuble anders herum. Schäuble gilt zwar als sehr erfahren, dennoch ist ungewiss, ob die Union ihn nominiert und durchsetzen kann. Als Gauck-Nachfolger hätte der 73-Jährige auch Erklärungsbedarf – Gauck ist nur drei Jahre älter, scheidet aber aus Altersgründen aus.

    Auch der Drittplatzierte Norbert Lammert, dem 33 Prozent der Deutschen das höchste Staatsamt zutrauen, hat keine Favoritenrolle. Der Bundestagspräsident weiß, dass er in der Union nicht nur Freunde hat – und winkt schon ab. Als er am Mittwochabend in Berlin bei einer Feier des Brauerbundes zum Bierbotschafter ernannt wurde, sandte Lammert eine klare Botschaft ans politische Berlin: „Dies ist nicht das erste, aber das letzte bedeutende Amt meiner Laufbahn, das ich freiwillig annehme.“ In der Umfrage hat er mit Abstand die beste Beurteilung bei FDP-Wählern und bei den über 60-Jährigen; er genießt deutlich mehr Unterstützung bei Männern als bei Frauen.

    Gleichauf mit Lammert liegt in der Umfrage der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne). Ausgerechnet die Grünen geben dem 68-Jährigen vergleichsweise wenig Rückhalt, die meisten Fans hat er – wie Lammert – bei FDP-Wählern und bei den über 60-Jährigen. Auch Kretschmann genießt bei Frauen weniger Vertrauen als bei Männern. Überraschend ist die relativ starke Unterstützung für die Ex-Ratspräsidentin der Evangelischen Kirche (EKD) und frühere Landesbischöfin Margot Käßmann: Durch einen besonderen Rückhalt bei Grünen und Linken kommt die heutige Reformationsbeauftragte der EKD gleich hinter von der Leyen mit immerhin 24 Prozent; bei älteren Bürgern ist das Vertrauen in Käßmann deutlich größer als bei den Jungen.

    Abgeschlagen auf dem letzten Platz landet der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Nur 10 Prozent trauen dem SPD-nahen Topjuristen das Amt zu, im Osten sogar nur zwei Prozent. Aber: Voßkuhle ist zwar einer breiten Öffentlichkeit unbekannt – bei der letzten Präsidentenwahl 2012 bot ihm die Kanzlerin das Schloß Bellevue dennoch an, was er aber zugunsten seines hohen Richteramtes ablehnte.