Berlin.

Wer seinen 40. Geburtstag feiert, steht mitten im Leben. Der Übergang in die zweite Lebenshälfte beginnt. Zumindest statistisch: So liegt die Lebenserwartung für Mädchen heute in Deutschland bei 83 Jahren und für Jungen bei 78 Jahren. Die meisten Personen dieser Altersgruppe sind dabei heutzutage deutlich aktiver, engagierter und blicken zuversichtlicher aufs Älterwerden als noch vor 20 Jahren. Die Mehrheit kann sich dabei auf die Familie als wichtige Stütze verlassen. Und dennoch gibt es im Detail große Unterschiede. Je niedriger die Bildung, desto schlechter die Gesundheit. Auch Frauen sind im Alter finanziell schlechter gestellt als Männer.

Dies sind die zentralen Ergebnisse einer Langzeitstudie zum Älterwerden in Deutschland, dem „Alterssurvey 2014“, erhoben wird die Untersuchung seit 1996 alle sechs Jahre. „Vielen geht es besser. Die Ängste vor dem Älterwerden schwinden. Das ist eine gute Nachricht“, bewertete Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) die Ergebnisse. „Allerdings gibt es noch Ungleichheiten, die wir beseitigen müssen. Dazu gehört, dass Frauen für ihre Arbeit den gleichen Lohn bekommen müssen wie Männer.“ Für die Studie wurden 6000 Menschen zwischen 40 und 85 Jahren zu ihren Vorstellungen und aktuellen Lebensweisen im Alter befragt. Die Details:


Arbeit

Immer mehr Menschen arbeiten in Deutschland immer länger – auch über den Ruhestand hinaus. Während vor 20 Jahren nur 60,2 Prozent der 40- bis 65-Jährigen einem Job nachgingen, sind es heute 74,1 Prozent. Insbesondere unter den über 60-Jährigen arbeiten mittlerweile rund 39 Prozent und damit gut doppelt so viele wie noch im Jahr 1996. In der Regel gehen Männer häufiger einer bezahlten Arbeit nach als Frauen. 85 Prozent sind mit ihrem Job zufrieden, fühlen sich weder über- noch unterfordert. Je höher die Bildung, desto eher haben Ältere einen Job. So sind 81,5 Prozent in ihrer zweiten Lebenshälfte erwerbstätig, während es unter den niedriger Gebildeten nur 50,6 Prozent sind. Den Traum vom früheren Ausstieg aus dem Arbeitsleben können sich unterdessen immer weniger erfüllen: Nur noch 15,9 Prozent der Befragten gehen davon aus, mit spätestens 60 Jahren aus dem Berufsleben auszusteigen, während dies vor 20 Jahren noch jeder Zweite plante. Auch fallen rund 15 Prozent vor dem Ruhestand in die Arbeitslosigkeit, während dieses Schicksal im Jahr 1996 nur drei Prozent erleiden mussten. Ob als Hinzuverdienst oder schöne Beschäftigung: Während des Rentendaseins geht heutzutage jeder Zehnte einem Beruf nach – vornehmlich in Teilzeit. Vor 20 Jahren ­waren dies mit 5,1 Prozent nur halb so viel. Meistens handelt es sich dabei um Männer, höher Gebildete und Westdeutsche.

Gesundheit

Gut zwei Drittel der Befragten fühlen sich bei „guter Gesundheit“. Knapp 40 Prozent berichten von keiner oder einer Erkrankung. Während die über 65-Jährigen über eine bessere Gesundheit verfügen als in den vorherigen Befragungen, hat sich die Lage der jüngeren Älteren nicht verbessert. Immer mehr Ältere treiben wiederum Sport, selbst ein Drittel der über 70-Jährigen ist noch mehrmals in der Woche sportlich aktiv.

Familie

Ob Kinder erziehen, den Haushalt führen oder Familienangehörige pflegen – diese Aufgaben sind auch heute noch in der Regel Frauenarbeit. Obwohl in gut der Hälfte aller Haushalte (57,5 Prozent) die Frauen finanziell zum Haushaltseinkommen beitragen, bleibt an ihnen dennoch mehrheitlich die Hausarbeit hängen. „Es ist strukturell verankert, dass die Familienarbeit bei den Frauen liegt und der Mann ist berufstätig“, sagte Schwesig. Dies spiegele sich nicht nur im Einkommen, sondern später auch in der Rente wider, die bei Frauen deutlich geringer ausfallen. Auch der Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA), Clemens Tesch-Römer, ist überzeugt, dass die gleichberechtigte Aufteilung der Hausarbeit „kein Selbstläufer“ ist: „Männer muss man da zu ihrem Glück zwingen.“ Allerdings sind Frauen über diesen Zustand nicht glücklich. Im Gegenteil: Fast ein Drittel der Frauen, die für den Haushalt zuständig sind, ist damit „weniger zufrieden“, während es zwei Drittel schätzen, wenn diese Arbeit mit dem Partner geteilt wird. Gleichzeitig übernehmen Großeltern häufiger die Betreuung ihrer Enkel.


Partnerschaft

80 Prozent der Befragten schätzen ihre Lebenszufriedenheit als hoch ein. Die Familie bleibt auch für Menschen in der zweiten Lebenshälfte eine wichtige Stütze – auch wenn die Lebensmodelle bunter werden. So ist der Anteil verheirateter Paare auf 67 Prozent gesunken, vor 20 Jahren trugen noch 82 Prozent einen Ehering. Unterdessen leben heute 17 Prozent unverheiratet zusammen, während es 1996 nur sechs Prozent waren. „Die Partnerschaft bleibt wichtig. Doch der Trauschein ist nicht mehr für alle das A und O“, so Schwesig. Auch die Beziehungen außerhalb der Familie gewinnen an Bedeutung: Freunde und Nachbarn gehören heute häufiger zum Unterstützungsnetzwerk als früher. Obwohl die Entfernungen zwischen Eltern und Kindern durch die größere Flexibilität im Beruf größer werden, stehen sie in gutem Kontakt.

Finanzen
Obwohl das Einkommen generell gestiegen ist, sind 12,3 Prozent von Altersarmut bedroht – vor 20 Jahren waren dies nur 9,7 Prozent. Frauen sind stärker betroffen als Männer, Ostdeutsche (17,5 Prozent) stärker als Westdeutsche (11,0 Prozent). Unter Migranten sind sogar 26 Prozent von Armut betroffen.

Wohnen
Rund 62 Prozent der Deutschen leben in den eigenen vier Wänden. Ihre Wohnsituation bewerten neun von zehn Befragten als „gut“ oder „sehr gut“. Drei Viertel fühlen sich durch die umliegende Infrastruktur sehr gut versorgt. Allerdings geht für die Miete heute 35,1 Prozent des Haushaltseinkommens drauf, 1996 waren dies nur 27,9 Prozent. Besonders stark sind alleinlebende Frauen zwischen 70 und 85 ­Jahren betroffen – sie müssen 45,2 ­Prozent ihrer Einnahmen für die Miete bezahlen.
Herausforderungen

Die Familienministerin bezeichnet den Abbau der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern sowie eine gerechte Aufteilung der Familienarbeit als wesentliche „Baustellen“ der Politik. Es müsse zudem einen Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung von Kindern in Kitas und Schulen geben, fordert Schwesig. Nur so erhielten Frauen in Ost- und Westdeutschland dauerhaft die Voraussetzung für eine bessere Bezahlung für ihre Erwerbstätigkeit und damit vor allem auch bessere Rentenperspektiven. Auch die sozialen Berufe, in welchen Frauen besonders häufig arbeiten, müssten aufgewertet und besser honoriert ­werden.