Basel.

Manche Niederlagen fühlen sich wie Siege an. 76,9 Prozent gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber immerhin 23,1 Prozent dafür. „Wir wussten vorher, dass wir gewinnen werden – wenn auch nicht die Mehrheit“, sagt schmunzelnd der deutsche Philosoph und Mitinitiator Philip Kovce. Man habe eigentlich nur mit 15 Prozent Zustimmung gerechnet. Als Sieg gilt ihm, dass die Idee auf dem Tisch bleibt und das Ringen für ihre Verwirklichung weitergeht.

Entsprechend positiv ist die Stimmung im Hauptquartier der Grundeinkommen-Initiatoren, dem Kaffeehaus „unternehmen mitte“ in der Basler Altstadt. Dass eine so kühne Vision wie diese gleich bei der weltweit ersten Volksabstimmung durchkommen würde, will hier niemand geglaubt haben. Ein „Kulturimpuls“ sei das Ziel gewesen, ein „Anstoß für einen Bewusstseinswandel“. Und das sei doch erreicht worden. In vielen Ländern Europas sind Debatten über die Gesellschaft der Zukunft längst im Gange. In den Niederlanden und Finnland soll demnächst gar mit staatlich geförderten Pilotprogrammen für Grundeinkommen experimentiert werden. Gesucht werden Rezepte für eine Ära, die von der Digitalisierung und der Ausbreitung von Robotertechnik im Zuge der vierten industriellen Revolution geprägt sein wird.

Träumer, Utopisten, Sozialromantiker, Spinner, Faulenzer – was haben sich die Initiatoren des Schweizer Referendums um Kovce und den Basler Restaurantbetreiber Daniel Häni nicht alles anhören müssen? Mindestens 2500 Franken pro Erwachsenem und 625 Franken für jedes Kind (derzeit rund 2260 sowie 565 Euro) solle Vater Staat – ohne Gegenleistung – überweisen, hatte Häni erklärt. Das brachte ihm jede Menge Stammtischspott. Da half auch nicht, dass im Gegenzug andere Sozialleistungen wie Renten-, Sozialhilfe- und Arbeitslosenzahlungen wegfallen sollten. Erklärtes Hauptziel der Befürworter: „Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.“

Zu den größten Streitpunkten der Grundeinkommensdebatte gehört die Frage der Finanzierbarkeit. Nach Berechnungen der Universität St. Gallen müsste allein die Schweiz trotz des Wegfalls aller bisherigen Sozialleistungen noch jährlich 150 Milliarden Franken (136 Milliarden Euro) für die Grundeinkommen aufbringen. Dann müsse die Mehrwertsteuer auf mehr als 50 Prozent steigen, so die Uni-Studie.

Bei den vielen „Nein“-Stimmen spielten aber auch Ängste im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise eine Rolle. Die Idee sei ja „interessant“, sagte der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn, der Zeitung „Schweiz am Sonntag“ – und fügte hinzu: „Wenn Sie dann noch die Grenzen aufmachen, wird halb Afrika kommen wollen.“

Absehbar war die Ablehnung auch, weil den eher konservativ eingestellten Eidgenossen Sozialmaßnahmen mit umstrittener Finanzierung traditionell suspekt sind.