Berlin.

Der Finanzminister selbst hat die Debatte eröffnet. Gleich mehrfach hat Wolfgang Schäuble in den vergangenen Tagen für die Zeit nach der Bundestagswahl Steuersenkungen in Aussicht gestellt. Es gebe „wachsenden finanzpolitischen Spielraum“. In seiner Partei hat der CDU-Politiker damit eine Schleuse geöffnet. Bisher war es das oberste Gebot der Union, keine neuen Schulden zu machen. Jetzt scheint es eine Chance zu geben, steuerpolitisch Akzente zu setzen.

„Wir haben endlich das Schuldenmachen beendet“, sagt Jens Spahn (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium. Die Wirtschaft laufe gut, die Löhne stiegen, neue Arbeitsplätze würden entstehen. „Statt immer neuer Sozialleistungen sollten wir nach 2017 endlich den hart arbeitenden Menschen wieder mehr von ihrem Lohn lassen und die Steuern senken“, sagt Spahn dieser Zeitung. „Die halten den ganzen Laden schließlich am Laufen.“ Ähnlich äußert sich der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs (CDU). Und der Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Peter Weiß, meint: „Eine steuerliche Entlastung der unteren und mittleren Einkommen ist seit Jahren angesagt.“ Viele Bürger seien durch die positive Lohnentwicklung inzwischen in einem Steuertarif gelandet, der „nicht für sie vorgesehen war“, sagt Weiß. Angezeigt sei deshalb „eine Korrektur des Steuertarifs“.

Ohne Steuersenkung schöpft der Staat immer mehr Geld ab

Damit zeichnet sich ein Thema ab, mit dem die Union in den Bundestagswahlkampf ziehen will: Steuersenkungen. Schäubles Finanzministerium arbeitet bereits an Konzepten. Den Spielraum, der zur Verfügung steht, schätzen Experten auf rund zwölf Milliarden Euro.

Die Summe ergibt sich, wenn man sich anschaut, was ohne Steuersenkungen passieren würde: Dann würden in den nächsten Jahren die Steuereinnahmen stärker steigen als die Wirtschaftsleistung – der Staat würde bei Bürgern und Unternehmen also immer mehr Geld abschöpfen. Würde das Verhältnis von Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt – die Fachleute nennen es „Steuerquote“ – auf dem aktuellen Wert von 22 Prozent bleiben, dann stünden im Jahr 2018 zwölf Milliarden Euro für Steuersenkungen zur Verfügung.

„Für eine spürbare Entlastung würden zwölf Milliarden Euro schon ausreichen“, sagt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest. Das Geld würde immerhin reichen, um die mittleren Einkommen unterhalb des Spitzensteuersatzes, der bei 53.600 Euro zu versteuerndem Einkommen beginnt, ein wenig zu entlasten. Eine stärkere Entlastung sei nur möglich, wenn gleichzeitig der Spitzensteuersatz früher als heute beginne, sagt Fuest. Sonst reiche das Geld nicht. „All das setzt aber voraus, dass die Bundesländer mitmachen“, gibt der Finanzwissenschaftler zu bedenken. Die Länder teilen sich mit dem Bund und den Kommunen die Einnahmen aus der Einkommensteuer. Der Bund allein kann nur den Solidaritätszuschlag senken, das würde aber bereits 16 Mrd. Euro kosten.

Geht es nach Wirtschaftspolitiker Fuchs, dann würde eine Steuerreform vor allem den Spitzensteuersatz verändern: „Die Union muss gerade an die Gruppe der Facharbeiter denken, die mit einem Jahreseinkommen von 53.600 Euro schon den Spitzensteuersatz zahlen.“ Fuchs ist sicher: „Das Geld dafür ist da, das ist alles leistbar.“

Arbeitnehmergruppen-Chef Weiß möchte den kompletten Steuertarif so verschieben, dass niedrige und mittlere Einkommen entlastet werden. Außerdem plädiert er für höhere Kinderfreibeträge. Eltern sollten einen größeren steuerlichen Vorteil als heute bekommen. „Der Freibetrag sollte auf die gleiche Höhe steigen wie der für Erwachsene, damit gerade Familien steuerlich entlastet werden“, sagt Weiß. Das habe die CDU schon längst umsetzen wollen.

Auch die Schwesterpartei CSU arbeitet an einem Steuerkonzept. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) will den Bürgern eine Erleichterung dafür verschaffen, dass sie kaum noch Zinsen für ihr Erspartes bekommen. Auch würden die Bayern den Solidaritätszuschlag gern abschaffen. Ende Juni wollen CDU und CSU auf einer Klausurtagung gemeinsame Inhalte für das Wahljahr 2017 finden – und werden dann wohl auch über die Steuerpolitik sprechen. Unionsfraktionsvize Fuchs glaubt, dass die sonst so zerstrittenen Schwesterparteien damit ein gemeinsames Thema finden können. Es helfe jedenfalls, „unser Profil zu schärfen“, so Fuchs.

Die anderen Parteien haben noch keine größeren Steuerpläne entwickelt. Die SPD hat aber schon deutlich gemacht, dass sie von Steuersenkungen nichts hält. Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte die Unionspläne als „taktisches Manöver“ für den Wahlkampf. Der stellvertretende Parteivorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel will – wie die Grünen – in den nächsten Monaten über die Wiedereinführung der Vermögensteuer diskutieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel lehnt dies vehement ab.