Berlin. Mit dem Flüchtlingszustrom wächst auch die Zahl muslimischer Kinder an den Schulen. Es gäbe gute Gründe, ihnen einen Islamunterricht unter staatlicher Aufsicht anzubieten

    Flächendeckender Religionsunterricht für Muslime als Mittel gegen radikalislamische Lockrufe? Mit seinem Vorstoß hat EKD-Ratschef Heinrich Bedford-Strohm eine schon länger geführte Debatte neu angefacht.


    Um wie viele muslimische Schüler
    geht es in Deutschland?

    Nach einer Studie der Deutschen Islam Konferenz (DIK) könnten rund 650.000 Schüler unter 18 Jahren am Islamunterricht öffentlicher Schulen teilnehmen. Nach Schätzung der Kultusministerkonferenz sind 20 bis 30 Prozent der zuletzt nach Deutschland gelangten Flüchtlinge Minderjährige im schulpflichtigen Alter, also 250.000 bis 300.000.


    Welche Länder bieten islamischen
    Religionsunterricht an?

    Laut KMK Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, zudem das Saarland. Schwierig ist die Situation in den Ostländern, die ihre Zurückhaltung gern mit der dort geringen Zahl von Muslimen begründen. In Berlin, Bremen und Brandenburg ist Religion an den Schulen generell kein festes Lehrfach. Und in Hamburg wird der Unterricht nicht getrennt nach Konfessionen erteilt, sondern als „Religionsunterricht für alle“.


    Was verspricht sich Bedford-Strohm
    von einer Ausweitung der Angebote?

    Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sieht darin die beste Möglichkeit, Muslime immun zu machen gegen Fundamentalismus. Diesen Schülern müsse ermöglicht werden, sich mit den Traditionen ihrer Religion fundiert auseinanderzusetzen. „Sie können zugleich Neues über den Islam lernen – und das auf dem Boden des Grundgesetzes.


    Wo liegt in der Praxis das Problem?

    Auch das spricht Bedford-Strohm an: Die Islamverbände sollten wie die christlichen Kirchen den Religionsunterricht an den Schulen selbst verantworten. Dafür müssten jedoch „die Muslime in Deutschland sich so aufstellen, dass es klare Ansprechpartner für den Staat gibt“. Denn nach wie vor haben die Bundesländer Probleme, anerkannte Religionsgemeinschaften für das Prozedere muslimischen Unterrichts zu finden. „Derzeit gibt es aus meiner Sicht keine zufriedenstellende Lösung“, sagt der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU).


    Wer organisiert denn derzeit
    den Islamunterricht?

    Das ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. Beispielsweise gibt es in Baden-Württemberg einen Projektbeirat Islamischer Religionsunterricht, dem Vertreter verschiedener Islamverbände angehören. Die Südwest-CDU kritisiert, im Beirat sei auch die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg vertreten. Unter deren Dach gibt es Vereine, die der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs angehören – und die wird vom Verfassungsschutz beobachtet.


    Welche Kinder nehmen am
    Islamunterricht der Schulen teil?

    Die Teilnahme ist freiwillig. Die türkische Gemeinde in Deutschland hat den Eindruck, dass vor allem Kinder modern denkender Eltern zum Islamunterricht öffentlicher Schulen angemeldet werden. Konservative Eltern schickten ihre Kinder nach wie vor eher zur religiösen Unterweisung in die Moschee, sagt der Bundesvorsitzende des Verbandes, Gökay Sofuoglu. Er fände es gut, wenn islamischer Religionsunterricht an allen Schulen angeboten würde – allerdings erst wenn es genügend verfassungstreue deutschsprachige Lehrer gebe. Denn: „Der Islamunterricht sollte nicht aus dem Ausland importiert werden.“


    Wie ist es um die Ausbildung
    muslimischer Lehrer bestellt?

    Der Bund setzt die Förderung von Islamischer Theologie an fünf Hochschulstandorten fort. Die 2011/2012 an den Universitäten Tübingen, Münster, Osnabrück, Frankfurt/Main und Erlangen-Nürnberg gegründeten Zentren seien eine Erfolgsgeschichte, sagt Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Studierende sollten dort nicht nur als Prediger ausgebildet werden, sondern auch für das Lehramt.