Brüssel/Berlin. Griechenland bekommt nach einem Verhandlungsmarathon frisches Geld. Die Gläubiger haben ihren internen Streit über einen Schuldenschnitt vertagt

    Elf Stunden dauerten die Verhandlungen zwischen den Gläubigern und Griechenland über eine neue Tranche aus dem laufenden Hilfspaket. Das Ergebnis: Griechenland wird weiter über Wasser gehalten.

    Wer hat gewonnen?

    Alle, sogar die Griechen fühlen sich als Sieger: „Dies ist nach langer Zeit ein wichtiger Augenblick für Griechenland“, sagte Finanzminister Euklid Tsakalotos mit Blick auf das lange Gerangel um die Kreditkonditionen. Dadurch hatte sich die Überprüfung der erzielten Reformfortschritte um sieben Monate verzögert. Auch die europäischen Geldgeber mit Deutschland als wichtigstem Einzelspieler und der Internationale Währungsfonds (IWF) – mussten Kompromisse machen.


    Wieviel Geld bekommt Athen?

    Griechenland bekommt nun im Rahmen des laufenden Hilfsprogramms eine dritte Tranche von 10,3 Milliarden Euro ausgezahlt. Im Juni sollen zunächst 7,5 Milliarden fließen, um fällige Zinszahlungen entrichten und Rechnungen begleichen zu können. Eine zweite Rate von 2,8 Milliarden gibt es nach der Sommerpause. Bis dahin muss Athen weitere Aufgaben bei der Privatisierung von Staatsvermögen und im Bankenwesen erledigen. Insgesamt hatten die Geldgeber im Sommer 2015 maximal 86 Milliarden Euro bis 2018 zur Verfügung gestellt. Davon wurden bislang 21,4 Milliarden ausgezahlt. Die Kredite sind an Einsparungen und Reformen gekoppelt.


    Gibt es einen Schuldenschnitt?

    Nein. Es gibt aber Schuldenerleichterungen, die der IWF immer wieder verlangt hat. Hauptkontrahenten bei dem Streit darum waren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und IWF-Europadirektor Poul Thomsen, der seine Chefin Christine Lagarde vertrat. Die Bundesregierung wollte unbedingt eine weitere Beteiligung des IWF sicherstellen, aber ohne die vom IWF geforderten Zugeständnisse bei den Schulden. Vereinbart wurde nun eine Schiebe-Lösung in zwei Etappen: Zunächst werden die Zinssätze nochmal ermäßigt und die Fälligkeitsfristen gestreckt. Über die eigentliche Schuldenerleichterung soll dann nach Auslaufen des Programms 2018 entschieden werden. Dann werde man die langfristige Schuldentragfähigkeit erneut prüfen. IWF-Direktor Thomsen holte sich das telefonische Okay von Lagarde: „Der IWF begrüßt, dass alle Beteiligten anerkennen, dass die Schuld nicht dauerhaft tragbar ist und Griechenland Schuldenerleichterung braucht.“


    Erfüllt Athen die Bedingungen?

    Unstrittig ist, dass die von der linken Syriza geführte Regierung des Premierministers Alexis Tsipras viele unpopuläre Maßnahmen durchs Parlament gebracht hat: Rentenreform, höhere Einkommens- und Verbrauchssteuern, Einrichtung eines Privatisierungsfonds. Weitere Reformen wurden sogar „auf Vorrat“ beschlossen. Die umstrittene Frage, wie viel Haushaltsüberschuss (minus Schuldendienst) die Griechen machen müssen, ist nur kurzfristig geklärt: Für 2018 bleibt es bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, was danach kommt, ist offen. Ein von den Europäern verlangtes dauerhaftes Plus in dieser Größenordnung hält der IWF für unrealistisch.


    Bleibt der IWF beteiligt?

    Das ist noch nicht sicher. Bislang gibt es nur eine Empfehlung des IWF-Managements an das sogenannte „Exekutivdirektorium“. Dieses soll bis Jahresende über die Beteiligung entscheiden. Das werde geschehen, „vorausgesetzt, eine neue Analyse stellt fest, dass die Maßnahmen den Schluss zulassen, dass die Schuldenlast tragbar ist“, sagt Direktor Thomson.


    Und die Reaktionen in Deutschland?

    Die Bundesregierung lobte die Brüsseler Einigung. Gemischt war die Stimmung nur in der Unions-Bundestagsfraktion. Deren Vizechef Ralph Brinkhaus (CDU) lobte die Entscheidung der Geldgeber. Das sei „eine vertrauensbildende Maßnahme und für alle Seiten ein gutes Zeichen“, sagte er dieser Zeitung. Griechenland müsse jetzt die noch ausstehenden Maßnahmen umsetzen und seinen Reformprozess fortsetzen. Brinkhaus betonte, Athen bekomme nur Geld aus dem bereits beschlossenen Hilfsprogramm. Inwieweit Griechenland seine Schulden tragen könne, müsse 2018 neu bewertet werden: „Ein nominaler Schuldenschnitt ist ausgeschlossen.“

    Scharfe Kritik kam von Christian von Stetten (CDU), dem Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion. Die Einigung von Brüssel sei ein „Taschenspielertrick, der das Vertrauen in die europäischen Institutionen weiter zerstört“, sagte er. Wenn die Darlehen nochmals verlängert würden, handele es sich um „ungedeckte Schecks“, die auf die Enkelgeneration übertragen würden.