Leipzig. Heute beginnt in Leipzig der 100. Katholikentag. Er bündelt die Krise der Kirche wie unter einem Brennglas. Eine Analyse

    Zum Jubiläum zieht die katholische Kirche in die Diaspora. Nicht nur, dass in Leipzig, wo an diesem Mittwoch der 100. Katholikentag beginnt, 80 Prozent der Einwohner keiner Konfession angehören und gerade einmal 4,3 Prozent katholisch sind. Die Katholiken erwartet in Leipzig verglichen mit früheren Katholikentagen zudem ein wenig freundlicher Empfang.

    Erstmals in der Geschichte der Treffen fanden die Organisatoren nicht genügend Privatquartiere, um die freiwilligen Helfer unterzubringen, mehreren Hundert wurde deshalb eine leerstehende Asylbewerberunterkunft angeboten. Ein Bündnis lief im Vorfeld Sturm dagegen, dass die Stadt Leipzig das fünftägige Treffen mit einer Million Euro unterstützt.

    Die Kirchenkritiker planen jetzt ein „Alternativprogramm“ in der Stadt – als Höhepunkt ist eine „Nudelmesse“ der sogenannten „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ in der Nähe des Hauptgottesdienstes des Christentreffens angekündigt. Konnten die Katholiken mit ihren Treffen bislang am Veranstaltungsort zumindest auf so etwas wie höfliches Desinteresse zählen – in Leipzig treffen sie auf große Skepsis bis hin zu blanker Ablehnung.

    Der Katholikentag in Leipzig steht symbolisch für die dramatische Situation, in der sich die katholische Kirche in Deutschland befindet. Der Glaube hat für das Alltagsleben und die Grundhaltung von immer weniger Menschen Bedeutung. Der Passauer Bischof Stefan Oster drückt es so aus: „Keiner braucht noch die Kirche.“

    Die nüchternen Zahlen sind deutlich. Knapp 218.000 Mitglieder verließen 2014 die katholische Kirche – so viele wie noch nie zuvor in einem Jahr. Besuchten 1990 noch 6,2 Millionen Katholiken die Sonntagsmesse, so waren es 24 Jahre später nur noch 2,6 Millionen. Die Zahl der kirchlichen Eheschließungen schrumpfte im gleichen Zeitraum auf ein Drittel zusammen und lag zuletzt bei nur noch 40.000.

    Der „Franziskus-Effekt“, auf den manche in der Amtskirche setzten, ist längst verpufft. Die Hoffnung, der populäre Papst aus Argentinien würde mit seinem betont bescheidenen Auftreten und seiner den Menschen zugewandten Art der katholischen Kirche einen neuen Schub verleihen, hat sich als trügerisch erwiesen. Stattdessen hat sich der Relevanzverlust der Kirche, der seit Jahrzehnten zu beobachten ist, eher noch beschleunigt.

    Zwei Strömungen in der Kirche streiten um den richtigen Weg aus dieser Misere: Modernisierer und Bewahrer. Die Modernisierer fordern Reformen beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und mit Homosexuellen, mehr Frauen in hohen Kirchenämtern oder gar die Abschaffung des Zölibats. Was sie nicht sagen: All das gibt es bereits – in der evangelischen Kirche. Dort ist die Lage aber nicht besser.

    Die Konservativen halten von diesen Reformen wenig bis nichts, sehen sie als Anbiederung an den Zeitgeist. Das Evangelium dürfe nicht weichgespült werden, eine Rückbesinnung auf das „Kernthema Glaube“ sei dringend nötig, heißt es dort. Sie vermissen unter den Geistlichen „die brennenden Verkündiger“, so der Bischof Oster, einer aus dem konservativen Lager. Das Problem dabei: Die Priester sind heute oft mehr Manager denn Seelsorger. Sie müssen das Personal der Kita verwalten oder den Neubau des Pflegeheims organisieren – die Kirche als Sozialkonzern. Das Evangelium wird da nicht selten beinahe zur Nebensache.