Pinkafeld. Norbert Hofer hat gute Chancen, Österreichs Präsident zu werden. Dafür gibt er sich freundlich. Doch dahinter steht auch eine Politik der Angstmache

    Eines wäre ihm wichtig, meint Franz Rechberger dann noch. „Dass Pinkafeld nicht als irgendwie rechts rüberkommt.“ Rechberger sitzt für die Sozialdemokraten im Gemeinderat und gerade im Eiscafé. Hier in Pinkafeld verfügt die SPÖ über eine satte absolute Mehrheit. Und es gebe ja auch Flüchtlinge im Ort. „Bevor Sie kamen, sind zwei dunkelhäutige Mädchen hier vorbeigegangen“, sagt Rechberger. „War überhaupt kein Problem.“ So sieht Rechberger das. Seine Sozialdemokraten koalieren im Burgenland mit den Rechtspopulisten der FPÖ.

    Rechberger stemmt seine Worte gegen einen Turm, der langsam kippt. Nach rechts. Der Turm ist Österreich. Ganz oben sitzt Norbert Hofer.

    Hofer hat gute Chancen, bei der Stichwahl am Sonntag Österreichs Präsident zu werden. Der Rechtspopulist ist Kandidat der FPÖ, der Freiheitlichen. 1971 ist er in Pinkafeld, 5600 Einwohner, kleinbürgerliche Idylle, früheres Tuchmacherstädtchen im Burgenland, geboren worden. Bis vor Kurzem kannte niemand diesen Ort. Kaum jemand kannte Norbert Hofer.

    Das ändert sich gerade.

    Hofer ist beliebt, zumindest bei einem Teil der Österreicher. Das Land ist gespalten – in rechts und links. In der letzten Umfrage sprachen sich 53 Prozent für Hofer als neuen Präsidenten aus. 47 Prozent für den Kandidaten der Grünen, den 72 Jahre alten Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen. „Vor allem Menschen mit weniger hoher Schulbildung wählen FPÖ und Hofer“, sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau-Universität in Krems im Gespräch mit unserer Redaktion. Würden nur Menschen mit Abitur wählen, stünde der Grüne Van der Bellen klar auf Platz eins. „Je weiblicher die Wähler, desto grüner sind sie.“

    Die beiden Ränder kämpfen nun um die Mitte. Die traditionellen Parteien von SPÖ und der konservativen ÖVP sind geschlagen, erstmals in der Geschichte Österreichs werden sie nicht das Staatsoberhaupt stellen. Zwar hat der Präsident in Österreich wie in Deutschland lediglich repräsentative Aufgaben, doch auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise wählt das Land einen Rechtspopulisten an die Spitze des Staates. „Die Wahl Hofers ist auch eine Protestwahl“, sagt Filzmaier. 80 Prozent der Österreicher zeigen sich in Umfragen enttäuscht von der Regierung. „Hofer war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“

    In Pinkafeld kennen sie Norbert Hofer schon lange. Von der Kasse am Supermarkt oder vom Sportplatz. Er lebt hier in einem Einfamilienhaus, die Frau ist Pflegerin, er hat vier Kinder aus zwei Ehen. Hofer ist gelernter Flugzeugtechniker, gibt sich volksnah. Pendler, wie die meisten hier. „Sympathischer Bursche“, sagt Rechberger.

    Der junge Hofer interessiert sich erst mal vor allem fürs Fliegen: Erst Modell-, dann Segel-, dann Motorflugzeuge. Heute geht Hofer am Stock, er spürt seine Fußsohlen nicht mehr. Ein ganzes Jahr verbrachte er nach einem Absturz mit einem Paraglider 2003 in Kliniken. Sechs Monate lang hat der damals 32-Jährige nach seinem schweren Unfall täglich sechs Stunden trainiert. Sein Lächeln hat er nicht verloren. Seinen Ehrgeiz auch nicht.

    Hofer gilt als das smarte und freundliche Gesicht der zutiefst europakritischen FPÖ. Er erzählte im Wahlkampf nette Anekdoten. Von seiner Katze, die lieber ein Hund sein will und stets zu ­bellen versucht. Er stellte Kinderfotos von sich auf Facebook. Doch vor Anhängern ist Hofer weniger zahm: Migranten nannte er „Invasoren“. In Pinkafeld ist Hofer Ehrenmitglied einer völkisch-nationalen Burschenschaft.

    Schon mit vierzehn zieht er weg aus dem Elternhaus, doch seinem Geburtsort blieb Hofer immer verbunden. „Mein Burgenland, meine Heimat“ sei für ihn „die schönste Landschaft der Welt“. Manchmal trägt der begeisterte Sportschütze Hofer in seinen gut sitzenden Anzügen eine Waffe bei sich, eine Glock 26, österreichisches Fabrikat. Die Heimat, das ist die Partei. National, die Ideologie. Fremde sind vor allem eine Bedrohung. Hofer wettert gegen die EU, gegen Migranten, die das Land überfordern würden, er schimpft über Willkommenskultur. 80 Prozent FPÖ-Wähler stimmten der Aussage zu, dass „die hohe Geburtenrate bei zugewanderten Musliminnen eine Gefahr für das österreichische Volk“ sei. Die FPÖ funktioniert auch mit Angstmache. Hofer verpackt sie nur höflich.

    Neonazi ist Hofer nicht. Anders etwa als der langjährige FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache, der in seiner Jugend zur Neonaziszene gehörte. „Hofer ist ein Nationaler an der Grenze zum Nationalismus“, sagt Politologe Filzmaier. Hofer geht einen schmalen Grat. Manchmal überschreitet er ihn. 2011 ließ sich Hofer von Rechtsextremisten befragen, das Interview erschien in einer NPD-nahen Zeitschrift. Als Hofers Kontrahent sagte, er würde als Präsident keine Regierung unter einem FPÖ-Kanzler vereidigen, nannte Hofer ihn einen „faschistischen Diktator“. Filzmaier sagt, die FPÖ sei „keine reine rechtspopulistische Partei“. Sie verwende auch klassische linke Schlagwörter, wie mehr Sozialstaat.

    Und doch nutzt die FPÖ auch die Ängste der Wähler aus. Ihr Aufstieg geschah nicht über Nacht. Über die Jahre stieg der rechte Grundwasserspiegel in Österreich. Heute hängt Hofers Gesicht auf Plakaten im ganzen Land. Die FPÖ hat für ihren Wahlkampf 3,4 Millionen Euro ausgegeben. Eine Million mehr als SPÖ und ÖVP.

    Der Ton in der Politik ändert sich. Das Land ändert sich. In Hofers Burgenland regiert eine „rot-blaue“ Koalition aus SPÖ und FPÖ. Wo es keine Grenzkontrollen geben darf, soll eine private Sicherheitsfirma patrouillieren. Das Arbeitsamt soll nur noch Österreicher vermitteln, Ausländer sollen in getrennte Sozialkassen einzahlen. Auch im Nachbarort von Pinkafeld taten sich „Rote“ und „Blaue“ zusammen. „Diskutiert wird das nicht“, sagt die sozialdemokratische Gemeinderätin Miriam Herlicska. Woanders wäre die 27-Jährige die Nachwuchshoffnung der Sozialdemokratie. In Österreich ist Herlicska jetzt aus der Partei ausgetreten.