Wien.

Er ist ruhig, sachlich und pragmatisch, ein Europa-Freund: Mit seiner Art hat Alexander Van der Bellen bei der ersten Runde der österreichischen Bundespräsidentenwahlen weit über seine grüne Kernwählerschaft hinaus gepunktet. Der 72 Jahre alte Wirtschaftsprofessor und ehemaliger Chef der Grünen galt als klarer Favorit. Am Wahlabend dann der Schock: Mit nur 21,3 Prozent der Stimmen zog er als zweiter Kandidat in die Stichwahl ein. Norbert Hofer von der rechten FPÖ lag mit Abstand vor ihm.

Mithilfe vieler prominenter Namen aus Kunst, Kultur und Wirtschaft versucht der gebürtige Wiener, die Aufholjagd an diesem Sonntag zu gewinnen. Auch Politiker anderer Parteien haben sich für ihn ausgesprochen. Allerdings gilt das Wahlkämpfen nicht als größte Stärke des passionierten Rauchers. Der Kontakt mit einfachen Bürgern fällt ihm schwer. Van der Bellen wirkt manchmal müde und entnervt.

Nach einer Karriere an der Universität entschied sich der zweifache Vater erst spät für die Politik. Die Besetzung der Hainburger Au von linken Aktivisten, die ein Wasserkraftwerk an der Donau verhindern wollten, wurde 1984 zum Wendepunkt für Van der Bellen. Der damalige Sozialdemokrat wechselte zu den Grünen. 1994 zog er ins Parlament ein, wurde später für elf Jahre Parteichef. Er einte die zerrissenen Grünen und führte sie zu ersten Erfolgen.

Zur Bundespräsidentenwahl tritt er als Unabhängiger an. Obwohl er finanziell und personell stark von den Grünen unterstützt wird, sei dies für ihn ein „symbolischer Unterschied“. Gegner werfen ihm „Etikettenschwindel“ vor.

Van der Bellen hofft auf einen Schulterschluss von Anhängern aller Parteien, um einen FPÖ-Präsidenten zu verhindern. Er bezeichnet sich selbst als das „kleinere Übel“. Sein Programm gilt als Gegenpol zur FPÖ mit ihren ausländerfeindlichen Tönen. „Widerstehen wir der Versuchung, die alten Zäune wieder hochzuziehen.“ Es gebe aber keinen Platz mehr für Wirtschaftsmigranten, fügt er mit Blick auf konservative Wähler hinzu. Schwächen zeigt er in Konfrontationen mit seinem Kontrahenten. In dem Medienwahlkampf lässt er sich von Hofer immer wieder aus der Reserve locken.