Berlin. Bundeslandwirtschaftsminister prüft Vorschlag zur Kennzeichnung nach dem Vorbild von Eiern. Bauernverband skeptisch über praktikable Umsetzung für Tierhalter

    Kühe grasen auf saftigen Wiesen. Lämmer stapfen unter blauem Himmel über Deiche. Hühner trippeln kreuz und quer über Bauernhöfe. Schweine bohren mit ihren Schnauzen Löcher in die Erde. Ländliche Idylle pur. So wünscht sich jeder Tierfreund die Aufzucht von Nutztieren, erst recht, wenn er kein Vegetarier ist. Doch die Realität sieht anders aus.

    Die meisten Tiere fristen ihr Dasein in Ställen, mehr oder weniger dicht gedrängt mit ihren Artgenossen. Krankheiten werden mit Antibiotika bekämpft, Aggressionen durch präventives Kupieren von Schwänzen oder Schnäbeln vorgebeugt. Bis zum Tag, an dem die Tiere zur Schlachtbank geführt werden. Allein in Deutschland waren dies 2015 laut Statistischem Bundesamt 59,3 Millionen Schweine und 3,5 Millionen Rinder.

    Angesichts dieser Menge haben sich die Verbraucherschutzminister aller Bundesländer die Verbesserung der Lebensbedingungen von Nutztieren auf die Fahnen geschrieben. Einstimmig fordern sie den Bund auf, eine Kennzeichnungspflicht der Haltungsform bei Frischfleisch einzuführen. Ziel ist es, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern und zugleich Landwirtschaft, Handel und Konsumenten davon profitieren zu lassen.

    Die Minister erhoffen sich einen ähnlichen Effekt wie nach der Haltungskennzeichnung von Eiern. Diese hat dazu geführt, dass Eier aus grausamer Käfighaltung vor sieben Jahren aus den Supermärkten verschwunden sind, weil der Verbraucher sie nicht mehr gekauft hat. „Mit der neuen Kennzeichnung von Frischfleisch sollen Verbraucherinnen und Verbraucher künftig in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich ihre Kaufentscheidungen auch unter Tier­schutzaspekten zu treffen“, begründet der Vorsitzende der Verbraucherschutzministerkonferenz, Johannes Remmel (Grüne), den Vorstoß. Bislang muss bei Schweine-, Schafs-, Ziegen- und Geflügelfleisch nur die Herkunft, der Aufzuchts- und Schlachtort, des Tieres gekennzeichnet werden.

    Nun liegt die Forderung beim Bundeslandwirtschaftsminister: „Wir werden prüfen, inwieweit eine solche Kennzeichnungsregelung eine Erfolg versprechende Maßnahme in Bezug auf die Verbesserung des Tierwohls und das Informationsbedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher sein kann“, sagt Christian Schmidt (CSU) dem Abendblatt: „Bei dieser Prüfung werden wir auch wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigen.“

    Die Bundesländer schlagen eine Einstufung in vier Klassen vor. „Die Null steht für ökologische Tierhaltung. Die Eins für Tiere, die auch Auslauf ins Freie haben. Die Zwei für mehr Platz im Stall und zusätzliche tierartspezifisch erhöhte Anforderungen an die Haltungseinrichtung. Und bei der Drei, der schlechtesten Kategorie, gelten die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen“, konkretisiert Wolfgang Reimer, Amtschef im Verbraucherministerium Baden-Württemberg.

    Die Begeisterung in der Branche ist verhalten. Der Deutsche Bauernverband zweifelt an einer praktikablen Umsetzung für die Tierhalter. „Die Haltungsformen für Schweine sind viel komplexer. Die Tiere wachsen in verschiedenen Ställen mit sehr unterschiedlicher Ausstattung auf. Einige haben Fenster, andere künstliches Licht, bieten Auslauf oder nicht, haben Spaltenboden oder Stroh. Deshalb bräuchte man mehr als vier Kategorien zur Einordnung – und dann wird es schon unübersichtlich für die Verbraucher“, sagt der Sprecher, Michael Lohse. Noch schwieriger werde eine Kennzeichnung, wenn Fleisch arbeitsteilig aus unterschiedlichen Lieferungen zu Wurst verarbeitet werde. Der Deutsche Tierschutzbund befürwortet unterdessen eine Fleischkennzeichnung als einen „guten ersten Schritt“.