Kairo.

Der Schock stand ihm im Gesicht. „Wir sind sehr bewegt und traurig“, erklärte Ägyptens Verkehrsminister Sherif Fathy, während draußen vor der Küste Flugzeuge und Schiffe aus Ägypten, Griechenland und Frankreich nach Spuren der abgestürzten Egyptair-Maschine suchten. Seine Regierung schließe keine Hypothese aus, versicherte Fathy, weder ein technisches Versagen, noch einen Terroranschlag, den er allerdings als die wahrscheinlichere Ursache bezeichnete. „Wir werden nicht leichtfertig und voreilig herumreden“, erklärte er. Der Minister versprach ein „absolut professionelles Verhalten“ und sagte den Angehörigen Hilfe zu.

Am Donnerstagabend herrschte Verwirrung über die mutmaßliche Entdeckung von Wrackteilen der Unglücksmaschine. Zunächst hatte Egyptair den Fund gegenüber CNN bestätigt, das griechische Außenministerium teilte jedoch mit, die entdeckten Wrackteile stammten nicht von einem Flugzeug. Doch solange die Flugschreiber nicht gefunden sind, bleibt sowieso vieles rätselhaft an dem Absturz über dem Mittelmeer. Eines jedoch wissen die Verantwortlichen in Kairo: Ihr Land kann nichts schlechter gebrauchen, als eine neue Debatte über Terrorgefahr.

Die Egyptair-Unglücksmaschine, ein 13 Jahre alter Airbus A320, war am späten Mittwochabend um 23.21 Uhr auf dem Charles-de-Gaulle Flughafen in Paris gestartet. An Bord: 56 Passagiere, darunter 30 Ägypter, 15 Franzosen und elf Bürger anderer Nationen plus sieben Besatzungsmitglieder und drei Sicherheitsleute. Nach Angaben der Fluggesellschaft verschwand die Maschine gegen 2.30 Uhr früh von den Radarschirmen, 45 Minuten vor der geplanten Landung in Kairo. Der Unglücksort liege rund 280 Kilometer von der ägyptischen Küste entfernt, hieß es in der Mitteilung. Wie Fotos von Wettersatelliten zeigten, herrschte in der Region wolkenloser Himmel. Der Jet befand sich auf seiner Reiseflughöhe von rund 11.000 Metern und hatte den Landeanflug auf Kairo noch nicht begonnen.

Frankreich und Ägypten richteten Krisenstäbe ein. Die ägyptische Seite hatte zunächst gemeldet, die Piloten hätten Minuten vor dem Absturz ein Notsignal gesendet, was später dementiert wurde. Bewohner der griechischen Insel Karpathos wollen einen Feuerball gesehen haben. Im Internet kursierte ein 17-Sekunden-Video, das ein brennendes Flugzeug am Nachthimmel zeigen soll.

Die Maschine drehte sich um die eigene Achse und verlor an Höhe

Das griechische Verteidigungsministerium meldete, die Maschine mit der Flugnummer MS-804 habe zunächst eine 90-Grad-Kehre nach links gemacht, sich dann einmal um die eigene Achse gedreht, bevor sie rapide an Höhe verlor. Eine plötzliche Katastrophe an Bord, die den Piloten selbst für einen Notruf keine Zeit mehr ließ, nährt Spekulationen über einen Terroranschlag. Frankreich und Ägypten standen in den letzten Jahren im Fokus von al-Qaida und dem selbst ernannten „Islamischen Staat“. Im Januar 2015 starben in Paris bei Anschlägen auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt 17 Menschen. Im November massakrierten IS-Anhänger 130 Besucher in einem Konzerthaus und in mehreren Straßencafés. In Ägypten kamen bisher über 700 Polizisten und Soldaten bei Anschlägen ums Leben. Im Juni 2015 konnte auf dem Gelände des Karnak-Tempels in Luxor ein Massaker an Touristen verhindert werden. Allein für die ersten drei Monate 2016 registrierte das Tahrir Institute for Middle East Politics 210 Terroranschläge im ganzen Land.

Ägypten hat einen sehr schlechten Ruf, wenn es darum geht, eigene Fehler oder Versäumnisse einzuräumen sowie Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. So weigert sich Kairo nach wie vor, den Absturz des russischen Ferienfliegers im letzten Oktober, der auf dem Weg von Sharm al-Sheikh nach St. Petersburg über dem Nordsinai explodierte, offiziell als Terroranschlag einzustufen und damit schwere Lücken bei der eigenen Flughafensicherheit zuzugeben. Der IS hatte in einem Artikel in ihrem Propagandamagazin „Dabiq“ behauptet, die Bombe sei in einer Getränkedose an Bord geschmuggelt worden.

Die Piloten der Unglücksmaschine waren sehr erfahren

Russland und Großbritannien stoppten nach dem Unglück, bei dem 224 Urlauber starben, ihren Charterverkehr in die ägyptischen Baderegionen am Roten Meer. Sie haben ihn bis jetzt nicht wieder aufgenommen, weil die Behörden in London und Moskau mit den Sicherheitsprozeduren auf den ägyptischen Flughäfen nach wie vor unzufrieden sind. Noch Ende März 2016 entführte ein Ägypter, der mit der Attrappe eines Selbstmordgürtels an Bord gelangt war, eine Egyptair-Maschine auf einem Flug nach Zypern.

Egyptair genießt in der Luftfahrtbranche dagegen einen guten Ruf. Die Fluggesellschaft ist Mitglied der Star Alliance, zu der auch die Lufthansa und Austrian Airlines gehören. Die beiden Piloten waren sehr erfahren, der 36-jährige Kapitän hatte 6275 Flugstunden, der Copilot 2766 Flugstunden. Die Maschine war seit 13 Jahren im Dienst und hatte laut Airbus rund 48.000 Flugstunden hinter sich. Am Tag vor dem Unglücksflug war der Jet von Asmara in Eritrea kommend auf der Strecke Kairo–Tunis eingesetzt und anschließend auf der Route Kairo–Paris.