Berlin .

Das umstrittene Gesetz zur Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als „sichere Herkunftsländer“ für Flüchtlinge hat die erste Hürde genommen. Bei einer namentlichen Abstimmung im Bundestag sprachen sich am Freitag 424 von 570 anwesenden Abgeordneten für den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus. Er ist auch eine Reaktion auf die Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht, an denen vor allem Männer aus Nordafrika beteiligt gewesen sein sollen. 143 Abgeordnete stimmten gegen den Entwurf. Drei Parlamentarier enthielten sich. Ziel ist es, die Asylverfahren zu verkürzen. Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, hat in der Regel kein Recht auf Asyl.

Die Opposition lehnte den Gesetzentwurf mit Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen in den drei Maghreb-Staaten ab. „Das ist ein schwarzer Freitag für das Grundrecht auf Asyl in Deutschland“, erklärte Andrej Hunko (Linke). Er rief die Grünen auf, den Entwurf im Juni im Bundesrat gemeinsam zu stoppen. Bislang sieht es jedoch so aus, als werde Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung auch für den Vorschlag stimmen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) möchte allerdings, dass Nordafrikaner, die schon lange in Deutschland leben und hier Wurzeln geschlagen haben, ein Bleiberecht erhalten.

In Sachsen-Anhalt will der Koalitionsausschuss von CDU, SPD und Grünen an diesem Dienstag beraten. Die drei Parteien hatten grundsätzlich vereinbart, dass sich Sachsen-Anhalt im Bundesrat der Stimme enthält, wenn sie untereinander keine Einigung erzielen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: „Zum Helfen gehört auch Nein sagen können.“ Einige Nordafrikaner kämen nach Deutschland, „weil die Leistungen besser sind als vielleicht die Lebensbedingungen im Herkunftsland“, fügte der Innenminister hinzu. Er kenne die kritischen Fragen, die mit der Menschenrechtslage dort verbunden sind, sagte de Maizière. Aus der abstrakten Androhung der Todesstrafe oder abstrakten Verfolgung von Homosexualität ergebe sich aber noch kein Anspruch auf Asyl.

Die Opposition sieht den Vorstoß auch deshalb kritisch, weil Homosexualität in den Maghreb-Staaten strafbar ist. Zudem werden Vergewaltiger in Algerien nicht verurteilt, wenn das Opfer jünger als 18 Jahre ist und den Täter heiratet. Pro Asyl bezeichnete das Gesetz als verfassungswidrig.

Im vergangenen Jahr waren fast 26.000 Neuankömmlinge aus dem Maghreb registriert worden. Inzwischen kommen wieder weniger. Die Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus Tunesien, Marokko und Algerien lag im ersten Quartal 2016 bei 0,7 Prozent. Die Abschiebung von Nordafrikanern ist oft schwierig. Viele von ihnen kommen ohne Papiere an.