Wien .

    Die Entscheidung in der Kanzlerfrage in Österreich ist praktisch gefallen. Der Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Christian Kern, soll am heutigen Freitag als neuer Regierungs- sowie Parteichef der Sozialdemokraten vorgestellt werden. Acht der neun SPÖ-Landesverbände hatten sich bis Donnerstag für den Manager ausgesprochen. Der mit ihm konkurrierende Ex-ORF-Intendant Gerhard Zeiler hat nach eigenen Angaben seine Ambitionen aufgegeben. Die Würfel zugunsten von Kern fielen nach Medienberichten in einer Unterredung mit SPÖ-Interimschef Michael Häupl.

    Der Bundesparteivorstand muss die Personalie am kommenden Dienstag offiziell absegnen. Am 18. Mai soll Kern von Bundespräsident Heinz Fischer als 13. Bundeskanzler nach 1945 vereidigt werden. „Er ist ein absoluter Profi, und so, wie er die Österreichischen Bundesbahnen gut gemanagt hat, wird er auch die Republik gut managen“, zeigte sich der SPÖ-Chef des Burgenlands, Hans Niessl, überzeugt. Der bisherige Regierungschef Werner Faymann war am Montag zurückgetreten. Der 56-Jährige zog damit die Konsequenz aus innerparteilicher Kritik. In seiner fast achtjährigen Amtszeit hatten die Sozialdemokraten bei 19 von 21 Wahlen Stimmen verloren.

    Kern galt seit Längerem als möglicher Nachfolger des glücklosen Faymann. Der ehemalige Wirtschaftsjournalist war in den 90er-Jahren in verschiedenen Funktion in der damaligen Bundesregierung und der SPÖ-Fraktion tätig, bevor er in die Wirtschaft wechselte. Seit 2010 leitet Kern die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) – mit 40.000 Mitarbeitern eines der größten Unternehmen der Alpenrepublik. Unklar ist bisher, wie sich der Manager zu Fragen der Asylpolitik und dem Umgang der Sozialdemokraten mit der rechten FPÖ verhalten wird. Der Koalitionspartner ÖVP hatte mehrere Bedingungen zur Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition gestellt. Dazu gehört die Beibehaltung der restriktiven Asyl- und Flüchtlingspolitik. Neuwahlen strebt die ÖVP nach eigenem Bekunden bisher nicht an.

    Am 22. Mai wird ein neuer Bundespräsident gewählt, in der Stichwahl stehen erstmals zwei Vertreter, die nicht dem Regierungslager angehören: Der von den Grünen unterstützte Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen sowie der Rechtspopulist Norbert Hofer von der FPÖ.