Paris.

Der monatelange Streit um die Arbeitsmarktreformen in Frankreich gipfelt an diesem Donnerstag in einer Machtprobe in der Nationalversammlung. Nachdem gut 35 Rebellen in der sozialistischen Regierungspartei PS die Pläne kippen wollten, ermächtigte Präsident François Hollande am Dienstag Premierminister Manuel Valls, das Gesetz per Dekret durchzuboxen. Die Folge ist ein Misstrauensantrag der Opposition, über den heute abgestimmt wird.

Solche in der Verfassung verankerten Dekrete, in Frankreich „49.3“ genannt, sind ein Mittel, mit dem der Staatspräsident widerspenstige Abgeordnete auf Linie bringen kann. Letztere können dann entweder für ein Gesetz stimmen, welches sie ablehnen, oder sie müssen die Verantwortung für den Sturz der Regierung übernehmen. Übersteht die Regierung das Misstrauensvotum, gilt auch die Arbeitsmarktreform als angenommen. Anderenfalls könnte das Kabinett zurücktreten, Präsident Hollande müsste die Regierung neu bilden. Ebenso gut aber könnte er die Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Wegen der Furcht vor einem Parteiausschluss oder Neuwahlen sind aufmüpfige Abgeordnete in der Vergangenheit jedoch fast immer eingeknickt. Von 105 Misstrauensanträgen in der Geschichte der fünften Republik scheiterten 104. Nur Georges Pompidou scheiterte 1962 als Premier. Er trat zurück, wurde aber von Präsident Charles de Gaulle zum Regierungschef ernannt.

So dürfte Hollande heute also als Sieger aus der Machtprobe hervorgehen. Dennoch ist der Umstand, dass er zum „49.3“ greifen musste, ein Offenbarungseid: Der Präsident verfügt mit seiner Politik nicht mehr über die Parlamentsmehrheit. Der Grund: Die PS zerreißt seit Längerem ein Streit zwischen linken Traditionalisten und reformwilligen Sozialliberalen. Schon 2015 musste die Regierung ein Gesetz zur Liberalisierung von Dienstleistungen nach mehrwöchiger Debatte per Dekret durchsetzen.

Diesmal kam es gar nicht erst zur Debatte. Opposition und PS-Rebellen hatten 5000 Änderungsanträge zur Arbeitsrechtsreform gestellt, als Hollande die Notbremse zog. Auch im Wahlvolk gibt es Widerstand. Jugendliche, Linksparteien und Gewerkschaften laufen Sturm gegen den Versuch, etwa Vereinbarungen zu Arbeitszeit und Löhnen auf betriebsinterne Ebenen zu verlagern und Entlassungen in kriselnden Betrieben zu erleichtern. Mit gewissem Erfolg. Durch die Massenproteste wurden etwa Obergrenzen für die oft sehr hohen Kündigungsabfindungen zurückgezogen.