Wien.

Am Tag eins nach der Ära Faymann herrscht in der Alpenrepublik auch Erleichterung. „Das kann der erste Schritt für einen Neubeginn in Österreich sein“, kommentierte der von den Grünen unterstützte Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen. Ob der Neubeginn nur einen Neustart der amtierenden rot-schwarzen Regierung oder baldige Neuwahlen bedeutet, ließen die Politstrategen aber zunächst offen. „Kurzzeit-Kanzler“ Reinhold Mitterlehner nutzte seine erste Pressekonferenz in neuer Rolle für eine Warnung an den Koalitionspartner SPÖ. In mehreren Punkten müsse die Zusammenarbeit deutlich verbessert werden. Eine Abkehr von der restriktiven Flüchtlings- und Asylpolitik komme nicht infrage.

„Das müssen keine Sollbruchstellen sein, aber man kann sie natürlich dazu machen“, analysiert der Politikberater Thomas Hofer. Die ÖVP wolle die Koalition nicht um jeden Preis fortführen. Im Politdeutsch des ÖVP-Chefs heißt die mehrdeutige Botschaft: „Wir sind nicht an Neuwahlen per se interessiert, sondern am Weiterarbeiten.“

„Weiterarbeiten“ und damit Neuwahlen umgehen – das wollen die Sozialdemokraten unbedingt. Denn mit dem spektakulären Abgang von Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann ist ein unpopulärer Regierungschef zwar von der großen Bühne verschwunden, aber die tiefgreifenden Probleme der Sozialdemokraten bleiben. „Die Schlüsselfrage ist nicht, bin ich paarungswillig mit der FPÖ, sondern die Schlüsselfrage ist, wie stoppe ich mit inhaltlichen Argumenten den Wählerschwund Richtung FPÖ“, sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Die rechte FPÖ ist – das zeigen die Wahlanalysen in jüngster Zeit deutlich – die neue Arbeiterpartei der Alpenrepublik.

Dass zwei Manager wie ÖBB-Chef Christian Kern und der Medienmanager Gerhard Zeiler als Favoriten für den Posten als Regierungschef gehandelt werden, gilt als bezeichnend für den Zustand der SPÖ. „Es ist schon ein Sittengemälde der Sozialdemokratie, dass die Hauptqualifikation zu sein scheint, bloß nicht aus dem derzeitigen inneren Führungskreis zu kommen, sondern von außen“, bemerkt Filzmaier. Beide haben sich noch nicht dazu geäußert. Kern war am Montagabend bei einem Konzert der britischen Rockgruppe Muse und schrieb auf Facebook: „MUSE im Sweatshop Wiener Stadthalle – 35 Grad im Schatten. Ganz cooler Auftritt heute Abend.“ Zeiler war zu der Zeit auf dem Flug in die USA. Wie dramatisch die Abläufe hinter den Kulissen waren, zeigen Recherchen des „Kuriers“. Danach war Faymann einem „Königsmord“ nur knapp zuvorgekommen. Fünf Landeschefs der SPÖ hatten beschlossen, einen SPÖ-Sonderparteitag einberufen zu lassen – faktisch eine Rücktrittsforderung. Als Faymann davon erfahren habe, habe er sofort die Flucht nach vorne angetreten.