Berlin. Rechtsgutachten fordert Rehabilitierung derverurteilten Homosexuellen

    Im September 1965 wird Klaus Born auf einem Berliner Hinterhof in einem Auto beim Sex mit einem anderen Mann erwischt und verhaftet. Das Urteil: schuldig nach Paragraf 175. Die Strafe: sechs Wochen Haft. Heute ist Klaus Born 71 Jahre alt. Alle Versuche, die verurteilten Homosexuellen zu rehabilitieren, sind bislang gescheitert. Ein neues Rechtsgutachten soll jetzt Bewegung in die festgefahrene Debatte bringen.

    „Mehr als 50.000 Männer wurden in der Bundesrepublik nach dem schwulenfeindlichen Paragraf 175 verfolgt und verurteilt“, beklagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. „Sie wurden im Kernbestand ihrer Menschenwürde verletzt.“ Bürgerliche Existenzen, Partnerschaften und Familien wurden zerstört – und die Opfer müssen bis heute ertragen, dass die Urteile gegen sie nie aufgehoben wurden: „Diese Ungerechtigkeit dürfen wir nicht länger hinnehmen. Der Gesetzgeber muss handeln“, sagte Lüders dem Abendblatt.

    Der in der NS-Zeit verschärfte Paragraf 175, der homosexuellen Männern mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren drohte, bestand in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert, danach bis 1994 in Teilen fort. In der DDR wurde der Paragraf Ende der 50er-Jahre so weit abgeschwächt, dass er in der Praxis weitgehend außer Kraft war, ab 1968 wurde er komplett abgeschafft.

    Zehntausende Männer, die zwischen 1949 und 1994 verurteilt wurden, sind bis heute weder rehabilitiert noch entschädigt worden. Der Bundestag sprach zwar im Juli 2000 eine formale Entschuldigung aus, zu einer gesetzlichen Aufhebung der Urteile kam es aber nicht. Linke und Grüne starteten zwar in den vergangenen Jahren immer wieder Initiativen für eine Rehabilitierung, auch der Bundesrat fordert das, die Bundesregierung aber bremst. Die Rehabilitierung sei rechtlich umstritten, die Prüfung dauere an.

    Die Antidiskriminierungsstelle hat nun ein Gutachten in Auftrag gegeben, das erstmals feststellt, dass die Rehabilitierung der Opfer mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes nicht nur vereinbar sei, sondern eine gesetzgeberische Pflicht darstelle.

    Für Klaus Born kommt das alles zu spät. Jahrelang konnte er nur Hilfsjobs annehmen, weil niemand einen Vorbestraften beschäftigen wollte. Erst 1973 wurde die Strafe aus dem Polizeiregister gestrichen. Heute ist er resigniert. Er glaubt nicht mehr an eine Rehabilitierung. „Für die Politik sind wir doch eine Null.“