Berlin. Weil bei der Welthandelsorganisation WTO die Verhandlungen über einheitliche Standards stocken, setzen Staaten auf bilaterale Verträge

    Michael Froman studierte mit US-Präsident Barack Obama in Harvard. Der 53-Jährige, dessen Vater in Berlin geboren wurde, kennt Europa gut. Nun ist er der Topverhandler auf US-Seite für das umstrittene TTIP-Abkommen. Seine rechte Hand ist Daniel Mullaney. Sein Vorteil: Er war in den Jahren 2006 bis 2010 als US-Diplomat in Brüssel.

    Die Schwedin Cecilia Malmström, EU-Handelskommissarin, packt auf europäischer Seite TTIP an. Die 47-Jährige wundert sich über den großen Widerstand in Deutschland. Kein anderes Land in Europa würde mehr von TTIP profitieren, meint sie. Ihr zur Seite steht Ignacio Garcuia Bercero. Der freundliche Spanier mit Vollbart und über 25 Jahren Brüssel-Erfahrung ist als EU-Chefunterhändler bei TTIP der Mann fürs Grobe. Wenn er nicht mit Mullaney feilscht, tourt er durch ganz Europa, um Ängste abzubauen.

    Ihre Aufgabe ist, auch Dank der vielen Vorbehalte gegen das Abkommen, keine einfache. Allerdings betreten sie auch kein Neuland. Freihandelsabkommen gibt es schon viele. Und Verhandlungen der EU laufen auch mit Japan, Indien, lateinamerikanischen Staaten wie Brasilien und Argentinien sowie mehreren Ländern der südostasiatischen Asean-Region. Mit 30 anderen Staaten bestehen längst Freihandelsabkommen der EU – die ersten etwa mit der Schweiz, Norwegen oder Liechtenstein stammen von 1973. Zu den jüngsten Vereinbarungen zählen die 2010 unterzeichneten Abkommen mit Serbien und Montenegro oder die 2013 abgeschlossenen Verträge mit Peru, Kolumbien und Nicaragua. Die völkerrechtlichen Verträge sollen den gegenseitigen Verzicht auf Handelshemmnisse besiegeln und so das Wirtschaftswachstum der beteiligten Staaten befeuern. Dabei hatten Deutschland und die EU insgesamt lange Zeit darauf gesetzt, dass neue Handelsstandards auf Ebene der Welthandelsorganisation (WTO) festgeschrieben werden. Doch dort sind seit Jahren kaum Fortschritte erzielt worden; seit einiger Zeit setzt die EU deshalb – offiziell als Ergänzung zur WTO-Ebene – verstärkt auf bilaterale Abkommen. Andernfalls drohten Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen auf den Weltmärkten, da wichtige Handelspartner wie die USA oder Japan ihrerseits Abkommensinitiativen ergriffen hätten, mahnt das Bundeswirtschaftsministerium.

    Die EU spricht von einer „neuen Generation“ von Freihandelsabkommen, die auch Regelungen zu Investitionen, Wettbewerbsfragen oder Dienstleistungen enthalten sollten. Besonders im Fokus der EU-Strategie stehen Schwellenländer, die ökonomisch immer wichtiger werden, aber ihre Märkte oft noch über hohe Zölle zu schützen versuchen.

    Als Blaupause für TTIP gilt das bereits ausgehandelte Abkommen Ceta („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) zwischen Europa und Kanada. Der Text muss nun noch vom EU-Parlament genehmigt werden. Zuvor muss ein EU-Ratsbeschluss fallen. Erst danach dürfen die Parlamente der Mitgliedstaaten über das Abkommen abstimmen. Auch in anderen Teilen der Erde koordinieren Staaten ihre Volkswirtschaften. Der 1991 gegründete „Gemeinsame Markt des Südens“ (Mercosur) ist ein südamerikanischer Wirtschaftsverbund. Die USA, Kanada und Mexiko vereinbarten 1994 das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta. 2010 vollendeten sechs Länder der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean die Freihandelszone Afta.

    Rund um den Pazifik arbeiten heute 21 Staaten in der 1989 gebildeten Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) zusammen, um den Freihandel voranzutreiben. Dazu gehören die USA, Kanada, China, Japan, Südkorea, Indonesien und Russland. Die USA und elf Staaten – aber nicht China – einigten sich 2015 zudem auf die Freihandelszone Transpazifische Partnerschaft (TPP). Immerhin repräsentiert dieses Abkommen 40 Prozent des Welthandels.