Berlin.

Ob in Technoclubs, auf Privatpartys oder in Hinterhöfen: In Deutschland werden immer mehr illegale Drogen konsumiert. Stark gefragt sind nicht nur aufputschende Amphetamine wie Speed, sondern auch die „klassischen“ harten Drogen wie Kokain und Heroin. Im vierten Jahr in Folge ist dabei auch die Zahl der Toten gestiegen. 1226 Menschen starben 2015 an einer Überdosis illegaler Drogen – und damit 18,8 Prozent mehr als im Vorjahr. In Hamburg verloren 59 Menschen ihr Leben – acht mehr als 2014. Die meisten Betroffenen waren Männer (84 Prozent) und wurden im Durchschnitt 38 Jahre alt. Ein Großteil von ihnen starb an einer Überdosis Heroin. Vor 15 Jahren wurden dagegen die meisten Drogentoten nur 32 Jahre alt.

„Auch wenn die Zahl im Vergleich zu den jährlich 121.000 Tabaktoten in Deutschland und 47.000 Drogentoten in den USA vergleichsweise gering erscheinen mag, so ist jeder Drogentote einer zu viel“, mahnte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), bei der Vorlage der Zahlen. Eine einfache Erklärung für den Anstieg gebe es nicht. Ein Problem sei die Kombination verschiedener Drogen. Die Botschaft der Entwicklung sei aber klar, so Mortler: „Die Drogen- und Suchtpolitik darf nicht an Stellenwert verlieren, sondern muss gestärkt werden.“ Heroin sei mit Blick auf die Todesrate „nach wie vor die illegale Droge Nummer eins“ in Deutschland. Am meisten konsumiert werde allerdings Cannabis. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 20.890 Menschen erstmals durch den Konsum harter Drogen auffällig – und polizeilich registriert.

Mit Abstand am größten war der Neuzulauf bei Amphetaminen mit 11.765 Erstauffälligen. Erstmals wurden 3149 Menschen mit Kokain erwischt und damit sieben Prozent mehr als noch im Vorjahr. Der Konsum von Heroin erhöhte sich um 15 Prozent auf 1888. Einen Anstieg habe es auch bei Crack, Ecstasy und LSD gegeben. Die Zahl der Erstkonsumenten von Crystal Meth, das vor allem in der Clubszene kursiert, bleibt mit 2532 hoch, lag aber um 19 Prozent unter dem Vorjahr.

Besonders wichtig sei es, der zunehmenden Verbreitung synthetischer Drogen, die seit Jahren ansteigt, Einhalt zu gebieten. Mortler setzt dabei auf ein Gesetz zu „neuen psychoaktiven Stoffen“, das von der Bundesregierung auf den Weg gebracht und möglichst noch in diesem Jahr umgesetzt werden soll. Diese Substanzen – bekannt auch als „Legal Highs“ – werden teilweise als „Badesalz“ oder „Kräutermischung“ übers Internet vertrieben, erläuterte die Drogenbeauftragte: „Bei diesen vermeintlich harmlosen Stoffen handelt es sich in der Realität aber um brandgefährliche Substanzen, die endlich verboten werden müssen.“

Bislang habe die Polizei keine Handhabe gegen viele dieser chemischen Stoffgruppen, da sie noch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und damit nicht illegal sind. Zudem plädiert die Drogenbeauftragte für ein neues Substitutionsrecht, damit künftig noch mehr Heroinabhängige, insbesondere auch auf dem Land, einen Zugang zu dem Ersatzstoff Methadon erhalten, um darüber von ihrer Sucht loszukommen.

Der Drogenhandel ist weltweit ein florierendes Geschäft und klassisches Feld der organisierten Kriminalität. Den Umsatz beziffert der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, auf rund 320 Milliarden US-Dollar. Afghanistan sei weltweit der bedeutendste Opiumproduzent. Heroin und Opiate gelangten zumeist über die Balkanroute nach Deutschland. Das meiste sichergestellte Haschisch stamme aus Marokko. Kokain komme wiederum zumeist aus Südamerika per Seefracht zwischen Bananenkisten über die Häfen Hamburg und Bremerhaven. Allein in Deutschland stiegen die Rauschgiftdelikte 2015 um zwei Prozent auf 282.604 Fälle. Mit 231.730 Tatverdächtigen – darunter 87 Prozent Männer – wurde ein neuer Rekord erreicht.

Kriminalpolizei fordert mehr Befugnisse für Fahndung im Netz

Am häufigsten wurde Marihuana sichergestellt, gefolgt von Amphetaminen, Haschisch und Ecstasy. Erstmals wurde mit drei Tonnen Kokain eine Rekordmenge beschlagnahmt, während 73 Prozent weniger Heroin entdeckt wurde. Im Drogenhandel dient neben dem Straßenhandel zunehmend das Internet als Handelsplattform. Rauschgifthändler und Abhängige nutzen gezielt die Anonymität. Dies geschehe größtenteils über verborgene Plattformen im „Deep Web“ oder „Dark Web“, die nicht über einfache Suchfunktionen, aber dennoch auffindbar seien. Dort flogen auch 2015 mehrere Rauschgifthändler auf, die von Sachsen und Nordrhein-Westfalen aus agierten. Unter anderem auch ein 20-jähriger Leipziger, der den Online-Drogenhandel „Shiny Flakes“ betrieb, 600 Kilo Drogen verkaufte und nun eine siebenjährige Jugendhaft absitzen muss. „Die Täter sind im Netz nur schwer zu fassen“, sagte Münch. Auch der junge Mann sei am Ende nicht im Internet gestellt worden, sondern weil er beim Verschicken der Drogen einen Fehler gemacht habe. Dennoch fahndet die Kripo nicht nur international mit bis zu 50 Ländern gegen Drogenringe, sondern auch verstärkt im Netz. Um noch effektiver zu werden, fordert Münch, dass seine Beamten mehr Befugnisse bekommen. Dazu gehöre auch, Daten von Verdächtigen länger speichern zu dürfen.