Berlin . Mit der Erhöhung der Altersbezüge steigt die Zahl steuerpflichtiger Ruheständler um 160.000. Streit um Rente mit 70 geht weiter, CDU-Vize Klöckner fordert mehr Flexibilität

Die ungewöhnlich starke Rentenerhöhung zum 1. Juli wird für viele Ruheständler einen unerfreulichen Nebeneffekt haben – sie müssen für ihre Rente erstmals Einkommensteuer zahlen, weil ihre Einkünfte jetzt das steuerfreie Existenzminimum überschreiten.

Das Bundesfinanzministerium rechnet nach Informationen dieser Zeitung damit, dass 160.000 Rentner betroffen sind, die dann zum ersten Mal eine Steuererklärung abgeben müssen. Damit greift der Fiskus bereits auf die Alterseinkünfte von mehr als jedem fünften Rentnerhaushalt zu. Die Zahlen gehen aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums hervor, das dieser Zeitung vorliegt. Hintergrund ist die Rentenerhöhung um 4,25 Prozent im Westen und 5,95 Prozent im Osten am 1. Juli. Der Staat nimmt allein durch diese Erhöhung nächstes Jahr immerhin 720 Millionen Euro zusätzlich an Steuern ein, heißt es in dem Schreiben weiter. Nach der Rentenanhebung würden dann 4,4 Millionen von rund 20 Millionen Rentnern Steuern zahlen.

Die Rentensteuer trifft seit 2005 eine zunächst kleine, aber jährlich wachsende Gruppe Ruheständler – wer 2005 in Rente ging, dessen Rente wird nur zur Hälfte in die Besteuerung einbezogen, für den aktuellen Neurentnerjahrgang 2016 sind es schon 72 Prozent. Doch wird von diesem Anteil ein Grundfreibetrag von 8652 Euro abgezogen, der steuerfrei bleibt – bei Ehepaaren sind es 17.304 Euro. Wer darüber liegt, muss eine Steuererklärung abgeben, kann aber Ausgaben etwa für Vorsorge oder Krankheitskosten absetzen. Im Gegenzug zur Steuerbelastung werden die Rentenbeiträge von Arbeitnehmern immer mehr von der Einkommensteuer freigestellt.

Unterdessen geht der Streit um die Rente mit 70 weiter. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wies einen entsprechenden Vorstoß ihres Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) als „lebensfremd“ zurück. Allerdings werde niemand gehindert, länger zu arbeiten, sagte Nahles der „Bild am Sonntag“. Notwendig seien individuelle Rentenlösungen mit entsprechenden Zu- oder Abschlägen. Nahles bekräftigte auch Pläne, die Einführung von Betriebsrenten für Unternehmen zu erleichtern. CDU-Vize Julia Klöckner forderte, Nahles solle ihren Widerstand gegen einen späteren Renteneintritt aufgeben. Die Ministerin müsse für mehr Flexibilität beim Rentenbeginn endlich einen Gesetzentwurf vorlegen, sagte Klöckner dieser Zeitung. „Mehr Flexibilität und weniger bürokratische Hürden an dieser Stelle, das halte ich für richtig“, sagte Klöckner. Die CDU-Politikerin warnte davor, sich beim Thema Rente von Populismus leiten zu lassen. Das Problem der Altersvorsorge liege in den niedrigen Zinsen und der Demografie. Die Riester-Rente müsse verbessert werden, ohne sie gleich abzuschaffen. Zu hohe Gebühren, Provisionen und Auflagen gefährdeten den gewünschten Erfolg dieses Modells. Außerdem verlangte sie eine bessere Förderung der Betriebsrenten.

SPD-Chef Sigmar Gabriel bekräftigte Pläne, die Zukunft der Rente zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen. Der „FAS“ sagte er: „Wahlkampf macht man am besten über wichtige gesellschaftliche und ernst gemeinte Sachfragen. Und die Rente ist so eine ernste Sachfrage.“