Berlin.

2013 sind die Liberalen aus dem Bundestag geflogen. Doch im Moment steht die FDP wieder ganz gut da. Die Partei hat im März bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gut abgeschnitten. In Mainz können sie sogar mitregieren. Bundesweit liegen sie stabil bei sieben Prozent. Parteichef Christian Lindner spricht vor dem Bundesparteitag an diesem Wochenende in Berlin über Wahlchancen, die AfD und die Zukunft von Katja Suding.

Hamburger Abendblatt: Herr Lindner, es sieht im Moment gut aus für die FDP. Kann dieses zarte Pflänzlein bis zur Wahl 2017 wieder eingehen?

Christian Lindner: Die Trendwende ist erreicht, aber sicher gibt es noch Auf und Ab in den nächsten Monaten. Wir arbeiten sehr solide heraus, warum wir uns um Verantwortung bewerben. Die Orientierung auf den Status quo und die Ängstlichkeit nehmen unserem Land Chancen. Wir hingegen setzen auf die Schaffenskraft der Menschen, auf wirtschaftliche Vernunft, weltbeste Bildung, neuen Gründergeist und moderne Infrastruktur. Wenn wir weiter unaufgeregt an unserer Substanz arbeiten, werden wir wieder ein Faktor der Bundespolitik sein.

In Rheinland-Pfalz will die FDP eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen – in Nordrhein-Westfalen haben Sie die Ampel ausgeschlossen. Das heißt: Die FDP wird in Zukunft in den unterschiedlichsten Koalitionen regieren?

Lindner: Rheinland-Pfalz ist bundesweit eine Ausnahme. Von den sozialdemokratischen Parteien steht uns die Union am nächsten. Aber selbst im Falle einer schwarz-gelben Mehrheit würden wir die Oppositionsrolle vorziehen, wenn wir unser Profil in der Regierung verlieren würden.

Die FDP ist aktuell eine One-Man-Show. Die Partei ist auf Sie zugeschnitten. Haben Sie genug Personal für das Comeback?

Lindner: Wir haben ein starkes Team. Sie hätten ein spannendes Gespräch mit Nicola Beer, meiner Generalsekretärin, oder Alexander Lambsdorff führen können. Aber Sie wollten ja nur mich.

Weil Sie die omnipräsente Person der Liberalen sind.

Lindner: Ich finde es trotzdem schade, dass in unserer Mediendemokratie alles auf Einzelne fokussiert wird. Sie sollten auch einmal jemand anderem aus meiner Partei eine Chance geben. Ein Beispiel ist Volker Wissing, unser Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz. Vor den Wahlen hatte er es schwer, in der Öffentlichkeit durchzudringen, nach seinem Wahlerfolg ist er ein gefragter Mann, dessen Seriosität und Kompetenz anerkannt wird.

Die Hamburgerin Katja Suding ist ein Star in Ihrem Team. Was haben Sie noch mit ihr vor?

Lindner: Katja ist ein Zugpferd der FDP, das hat sie mehrfach bewiesen. Ich freue mich, wenn sie für den Bundestag kandidiert. Aber bei der FDP gibt es keine Stars, sondern nur Teamplayer.

Wie schwer wird der Wiedereinzug in den Bundestag?

Lindner: Das ist kein Selbstläufer, aber wir haben eine Marktlücke, die wir schließen können. Union und SPD beschäftigen sich ja nur noch mit sich selbst und regieren den Problemen hinterher. Seit Monaten wird nur noch das Dringliche bearbeitet, das Wichtige bleibt liegen. Den Wandel durch Demografie, Digitalisierung und Globalisierung müssen wir nicht fürchten, wir können daraus eine Chance machen. Eine Partei der Fortschrittsbeschleuniger fehlt im Parlament. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Aber es gibt kein neues Projekt 18?

Lindner: Nein, aber die FDP wird bei der Wahl 2017 stärker als die AfD sein.

Die AfD liegt in den Umfragen aktuell bei mehr als zehn Prozent, Sie aber nur bei sieben. Wie wollen Sie die Wähler der AfD abschöpfen?

Lindner: Unsere Neuwähler sind im Lager der Nichtwähler, bei der Union und teils den Grünen. Von der AfD bekommen wir keine Stimmen. Die AfD ist ein Problem der SPD, der Linkspartei und der Union. Die AfD ist keine Partei der Mitte, sondern eine Partei der Ängste und Ressentiments. Die wollen ein anderes Deutschland. Wir sind eine europäische, weltoffene, individualistische Partei. Wir fürchten die Vielfalt nicht – wir finden sie sogar großartig.

Wenn Sie bei der Bundestagswahl scheitern, treten Sie dann zurück?

Lindner: Uns ist diese Mentalität völlig fern, nur darüber nachzudenken, was alles schiefgehen könnte. Das ist die German Angst – diese Verliebtheit ins Problem! Wir wünschen uns für Deutschland eine Verliebtheit ins Gelingen, mehr German Mut.

Apropos Mut – würden Sie Schwarz-Gelb nach dem Desaster von 2009 bis 2013 noch einmal wagen?

Lindner: Wenn die Inhalte stimmen.

Was wären denn Ihre Bedingungen?

Lindner: Das ist noch nicht die Zeit dafür. Eine Lehre aus der Zeit 2009 bis 2013 gibt es aber: Wir haben unsere Ziele und die Union hat ihre Bedenken in den Koalitionsvertrag geschrieben. Das wiederholen wir nicht. Nachdem die CDU bei der NRW-Wahl 2010 verloren und wir sogar leicht gewonnen hatten, hat Frau Merkel unsere Steuerreform abgesagt. Und die FDP hat geschwiegen. Ich hatte damals zwar nicht zu entscheiden, aber meine Stimme hätte ich erheben müssen. Das passiert mir in meinem politischen Leben kein zweites Mal.

Muss es 2017 eine Steuerreform geben?

Lindner: Natürlich wird die Belastung der Menschen für uns weiter eine Rolle spielen. Ohne FDP spielt in der Steuerpolitik die Idee von Vereinfachung und Entlastung ja keine Rolle mehr. Aber ich will nicht alte Fehler wiederholen und uns wieder allein auf ein Thema verengen.

Der Abschied von Guido Westerwelle hat Sie tief berührt. Was bleibt von ihm?

Lindner: Guido Westerwelle hat oft über seine Zeit auf der Realschule erzählt. Er hatte ja einen recht harten Weg über das Abitur bis zum promovierten Juristen. Später hat er immer wieder Menschen dazu ermuntert, etwas aus ihrem Leben zu machen. Er sagte immer, Leistung müsse sich lohnen. Das war kein Aufruf für den Start einer Ellbogengesellschaft. Er hat einfach über seinen Weg gesprochen – und wollte, dass auch andere ihre Grenzen testen, insbesondere durch Bildung. Das ist ein sehr optimistisches Menschenbild – und sein Vermächtnis an uns. Schon vorher war für die FDP Bildung wichtig. Jetzt steht sie für uns ganz vorne.

Was wollen Sie denn ändern?

Lindner: Wir sind bei der Digitalisierung von Bildung ganz hinten. Wir haben einen enormen Modernisierungsstau an den Schulen. Wir leisten uns 16 Länder, die unterschiedliche Bildungssysteme haben. Das müssen wir ändern. In der Bildungspolitik ist unser Föderalismus nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen mehr Mobilität und Vergleichbarkeit zwischen den Ländern, ein geändertes Grundgesetz sollte zudem eine Mitfinanzierung durch den Bund erlauben.