Idomeni. 300 Verletzte in Idomeni. Gerüchte über Grenzöffnung waren Ursache für Unruhen. Mindestens fünf Menschen sterben in Ägäi.

Neue Eskalation an der seit vier Wochen geschlossenen griechisch-mazedonischen Grenze: Bei Ausschreitungen sind am Sonntag mehr als 300 Menschen verletzt worden. Das berichten griechische Medien unter Berufung auf die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Mindestens 34 Menschen hätten offene Wunden davongetragen, weitere 30 seien durch die Gummigeschosse mazedonischer Grenzschützer verletzt worden, berichtet das Nachrichtenportal The Toc. Mehr als 250 Menschen litten aufgrund der Tränengasgranaten, die die mazedonische Polizei abfeuerte, an Atemwegsproblemen. Unter den Verletzten seien viele Kinder.

Die griechische Regierung verurteilte den Polizeieinsatz als „gefährlich und verabscheuungswürdig“. Der Sprecher des griechischen Krisenstabes, Giorgos Kyritsis, appellierte an die mazedonischen Behörden, auf die Anwendung von unangemessener Gewalt gegenüber den Flüchtlingen zu verzichten. Ärzte ohne Grenzen berichtete, der Wind habe das Tränengas auch vom Grenzzaun ins Lager selbst getragen. Dadurch seien auch Flüchtlinge in Mitleidenschaft gezogen worden, die gar nicht an den Unruhen beteiligt waren.

Flugblätter fordern zum„Marsch auf die Grenze“ auf

Auslöser des Ansturms auf den Grenzzaun, an dem sich etwa 600, nach anderen Berichten sogar 2000 Menschen beteiligten, waren Flugblätter und Gerüchte, wonach es hieß, Mazedonien werde seine Grenze am Sonntag öffnen. Die Menschen wurden mit den auf Arabisch verfassten Handzetteln aufgefordert, sich am Sonntagmorgen an einem „Marsch auf die Grenze“ zu beteiligen. Daraufhin versammelten sich morgens Hunderte Flüchtlinge und Migranten auf der Eisenbahntrasse, die bei Idomeni von Griechenland nach Mazedonien führt. Eine fünfköpfige Abordnung der Flüchtlinge verhandelte zunächst mit den mazedonischen Grenzpolizisten. Als diese eine Öffnung des Grenzzaunes ablehnten, begannen die Unruhen.

Bei Idomeni campierten nach offiziellen Angaben am Sonntag gut 11.200 Menschen. Nach jedem Regenschauer verwandelt sich das ungeordnete Elendslager in eine Schlammwüste. Die Versuche der griechischen Behörden, die Menschen zum Umzug in andere, organisierte Unterkünfte zu bewegen, hatten bisher wenig Resonanz. Nur einige Hundert Flüchtlinge ließen sich umsiedeln. Die anderen harren aus, in der Hoffnung, dass sich die Grenze doch noch öffnet.

Aktivisten verbreiten seit Wochen unter den Flüchtlingen Gerüchte über eine bevorstehende Öffnung der Grenze und sorgen damit immer wieder für Unruhe. Sie wollen damit offenbar den Druck auf die mazedonischen Behörden verstärken, die Grenze zu öffnen. Im März hatten sie die Flüchtlinge erstmals dazu aufgerufen, einen reißenden Grenzfluss zu überqueren. Dabei ertranken drei Menschen in den Fluten. Jene, die es bis ans andere Ufer schafften, wurden anschließend von den mazedonischen Grenzern zurückgeschickt. Diese Gerüchte in die Welt zu setzen, sei kriminell und verantwortungslos, kommentierte der griechische Krisenstab für die Flüchtlingskrise am Sonntag.

Trotz der Grenzschließung und drohender Abschiebungen kommen immer noch Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei über die Ägäis nach Griechenland. Am Sonnabend wurden nach offiziellen Angaben auf den Inseln Chios, auf Lesbos, Kos und Samos 162 Neuankömmlinge gezählt. Erstmals gab es auch wieder Todesopfer. Bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland starben mindestens fünf Menschen, als ihr Schlauchboot bei hohen Wellen kenterte.

Seit Monaten drängen Hunderttausende Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika nach Europa. Nachdem die Europäische Union mit der Türkei ein Abkommen unterzeichnet hatte, das die Zahl der Flüchtlinge reduzieren soll, ist die Zahl der in Deutschland ankommenden Migranten deutlich gesunken. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die „Balkanroute“ durch die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien nahezu dicht ist. In den vergangenen drei Wochen kamen insgesamt 80 Prozent weniger Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ unter Berufung auf Zahlen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex.

Zwischen Bund und Ländern keimt unterdessen ein neuer Streit über die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber auf. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) verlangte gegenüber dieser Zeitung, die Zahl der Abschiebungen zu verdoppeln. So habe es im Vorjahr 37.220 freiwillige Rückkehrer und 22.200 Abgeschobene gegeben, sagte der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung. Gefordert seien dabei die Länder.

Die Bundesländer sehen wiederum den Bund in der Verantwortung und fordern von ihm schnellere Asylverfahren. Bei der Umsetzung gibt es aber auch weitere Probleme. Zum Teil weigern sich Herkunftsländer, jemanden wieder aufzunehmen, weil Dokumente fehlen.