Warschau. Gesetzentwurf sieht hohe Strafen für Schwangerschaftsabbrüche vor. Erste Proteste formieren sich

In Polen steht ein Gesetz zur Debatte, welches das seit 1993 bestehende Abtreibungsgesetz – eines der restriktivsten der EU – weiter verschärfen soll. Laut einem Entwurf der Organisation „Pro Prawo do Zycia“ (Recht auf Leben), das dem polnischen Sejm (Unterkammer des Parlamentes) vorgelegt wurde, sollen Schwangerschaftsabbrüche künftig auch nach Vergewaltigungen sowie bei schweren Missbildungen des Fötus untersagt sein und mit hohen Haftstrafen belegt werden. Nur bei drohender gesundheitlicher Gefahr für die Schwangere soll Abtreibung straffrei bleiben. Die katholische Kirche in Polen unterstützt die Initiative. „In der Sorge um das Leben gibt es keinen Kompromiss. Entweder ist man für den Tod oder für das Leben“, sagte Erzbischof Henryk Koser. Gleichzeitig gibt es erste Proteste, in 17 Städten kam es am Wochenende zu Demonstrationen unter dem Motto „Gegen die Tortur von Frauen“.

Obwohl die regierende kirchennahe Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch 2015 einen ähnlichen Gesetzesvorstoß unterstützt hatte, zeigt sie sich aktuell wenig enthusiastisch. Premierministerin Beata Szydlo und Parteichef Jaroslaw Kaczynski bekräftigten zwar, mit den Pro-Life-Aktivisten und der Kirche übereinzustimmen. „Ich bin überzeugt, dass die große Mehrheit, womöglich auch die ganze Fraktion die Gesetzesinitiative zum vollständigen Verbot der Abtreibung unterstützen”, sagte Kaczynski. Einen Fraktionszwang werde es bei einer Abstimmung nicht geben. Wann es dazu kommt, ist unklar. Denn der Sejmvorsitzende Marek Kuchcinski (PiS) hat die Initiative in dieser Woche aus formellen Gründen zurückgewiesen. Erst wenn „Prawo do Zycia“ geforderte Ergänzungen vorlegt und Kuchcinski diese annimmt, können die Initiatoren mit der Sammlung von 100.000 Unterschriften beginnen, die für ein von Bürgern eingebrachtes Gesetzesprojekt obligatorisch sind. Beobachter werten Kuchcinskis Verzögerung als ein Spiel auf Zeit. Denn sollte das Abtreibungsgesetz verschärft werden, könnte dies die ohnehin angespannte Situation im Land weiter verschärfen.

Laut Umfragen sind 66 Prozent der Menschen gegen ein absolutes Abtreibungsverbot, drei Viertel der Bürger sind für die Beibehaltung der Möglichkeit eines Abbruchs nach Vergewaltigungen. 2014 wurden laut der staatlichen Krankenversicherung NFZ in Polen 1812 Abtreibungen legal durchgeführt. Die Dunkelziffer der Abbrüche wird von Frauenorganisationen jedoch auf 80.000 bis 200.000 Fälle pro Jahr geschätzt.