Berlin.

Ihr Ausharren scheint vergebens. Zu Tausenden zelten vor allem Menschen aus Syrien und dem Irak an der griechisch-mazedonischen Grenze. Die Geflohenen wollen weiter – über den Balkan, die meisten nach Deutschland. Doch nun ist die Route, über die 2015 mehr als eine Million Menschen zum Teil mit Zügen von Grenze zu Grenze transportiert wurden, geschlossen. Nach Slowenien und Serbien hat Kroatien die sogenannte Balkanroute abgeriegelt. Auch Mazedonien hat die Grenze geschlossen.

Bundespolizisten registrieren derzeit noch zwischen 160 und 800 Migranten an der deutschen Grenze. Doch Hilfsorganisationen wie Pro Asyl und UNHCR prognostizieren: Die Fliehenden werden sich nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lassen und neue Wege suchen. Doch welche Routen stehen ihnen noch offen? Wie gefährlich sind sie? Wie reagieren die Staaten?


Ausweg über Albanien
Fast 150 Kilometer ist die Grenze zwischen Albanien und Griechenland lang. Der Staat könnte ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge werden. Von Albanien könnten die Menschen aus Griechenland weiter über Montenegro oder das Kosovo gen Norden fliehen. Die Grenzen seien an vielen Passagen wenig bewacht, heißt es. Zumal Serbien das Kosovo nicht als eigenen Staat anerkennt – und somit auch keine Grenzkontrollen manifestieren will. Autobahnen oder Eisenbahnschienen fehlen oder sind marode, Migranten stünde eine kräftezehrende Flucht bevor. Zwar sind die gebirgigen Grenzen Albaniens für Polizisten schwer zu überwachen – doch selbst Schlepper können hier kaum agieren. Und: Weiter im Norden halten Kroatien und Slowenien ihre Grenzen geschlossen.

In Schlauchbooten nach Italien
Von Albanien aus könnten Flüchtlinge auch in Schlauchbooten illegal das Meer nach Italien überqueren. An manchen Orten trennen die beiden Küsten nur 50 oder 70 Kilometer. Als Anfang der 1990er-Jahre der Sozialismus zerbrach, flohen Zehntausende Albaner nach Italien über diese Route. Bei vielen Flüchtlingen ist Albanien jedoch gefürchtet: Die Menschen hätten Angst vor der Mafia, die Schlauchboote nach Italien für Drogenschmuggel nutzte. Zudem würden die Schleuser hohe Preise verlangen, erzählen Geflohene. Der albanische Regierungschef kündigte an, sein Land werde den Transit von Flüchtlingen „mit allen Mitteln“ verhindern.

Per Schiff aus Griechenland
Wer nicht die Route über Albanien riskieren will, könnte es illegal mit einem Schiff aus den griechischen Häfen nach Italien versuchen. Die Schiffe für Überfahrten sind deutlich größer als die winzigen Schlauchboote, die in der Türkei in Richtung griechische Inseln ablegen. Doch je größer das Schiff, desto größer das Risiko entdeckt zu werden. Schleuser boten in der Vergangenheit für viel Geld Plätze auf Containerschiffen an – auch hier mit dem hohen Risiko für die Flüchtlinge, zwischen der Ladung entdeckt zu werden. Derzeit wird dieser Weg laut Hilfsorganisationen kaum genutzt. Noch vor gut einem Jahr, als kaum jemand über den Balkan floh, erreichte ein Frachter die italienische Küste mit 800 Migranten.


Flucht über den Osten

Nur wenige flohen bisher über Rumänien und Bulgarien – auch aus Angst. Menschenrechtler kritisierten die bulgarische Polizei, Flüchtlinge geschlagen und sogar ausgeraubt zu haben. Die Regierung wies diese Anschuldigungen zurück. Und doch halten sich bei den Geflohenen Gerüchte. Migrationsexperten warnen: Wo es keine geduldeten Fluchtrouten gebe, würden Menschen in die Hände der Schleuser getrieben. Und die arbeiten oft kriminell. In Bulgarien berichteten Menschenrechtler sogar von Entführungen. Das türkische Militär ist an der Landgrenze zu Bulgarien massiv präsent. Vereinzelt versuchen Menschen in Booten die Küste Bulgariens oder Rumäniens über das Schwarze Meer zu erreichen. Ungarn rief den Krisenzustand aus. So könne die Regierung bis zu 1500 Soldaten an der rumänischen Grenze postieren. Und sogar noch weiter in Richtung Nordosten brechen Flüchtlinge auf. Aus der Türkei fliehen sie über Georgien und Russland zur finnischen Grenze: die sogenannte „Eisroute“. 2015 erreichten etwa 5500 Asylsuchende Norwegen. Gut 700 Menschen versuchten es über Russland in Finnland. Norwegen reagierte bereits mit der Grenzschließung.

Von Afrika nach Europa
Bevor Menschen die Balkanroute nutzten, war der gefährliche Seeweg von Tunesien oder Libyen nach Italien der übliche Fluchtweg. Mehr als 218.000 Flüchtlinge kamen 2014 über das Mittelmeer – viele Syrer, aber auch aus Eritrea, Somalia oder Senegal. Auch aus Marokko und Algerien brachen Menschen auf teilweise schrottreifen Booten auf. 3500 ertranken laut UN. Nordafrika könnte nun wieder zum „Hotspot“ dieser Krise werden, wenn Syrer, Afghanen und Iraker über Ägypten ins kriegsgeplagte Libyen fliehen. Weil dort der Staat nicht funktioniert, haben Schlepper ein leichtes Spiel. Italien schlägt bereits Alarm. Das Land fürchtet, in eine ähnlich isolierte Situation wie Griechenland zu geraten – vor allem, wenn Österreich die Route über den Brenner schließt. Dann müssten die Flüchtlinge in Italien ausharren.