Berlin.

Bei der Registrierung und Verteilung von Flüchtlingen gibt es deutliche Defizite. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken berichtet, sind rund 130.000 Menschen, die 2015 als Asylsuchende registriert wurden, nicht bei der zuständigen Aufnahmeeinrichtung angekommen. Insgesamt wurden 1,1 Millionen Flüchtlinge erstmals erfasst.

Als mögliche Gründe nenne das Ministerium Weiterreisen in andere Länder und ein Untertauchen in die Illegalität. 2015 stellten die deutschen Behörden dem Bericht zufolge nur noch bei jedem zehnten Asylbewerber die Anfrage an einen EU-Partner, diesen zurückzunehmen. 2014 sei das noch bei jedem fünften Bewerber der Fall gewesen. Laut dem derzeit de facto ausgesetzten Dublin-System der EU wäre derjenige Mitgliedsstaat für den Schutzsuchenden verantwortlich, in dem der Flüchtling erstmals den Boden der Europäischen Union betritt.

Für das hohe Maß an Fremdenfeindlichkeit in Sachsen sind nach Ansicht der Bundesbürger vor allem soziale Ängste und die Flüchtlingspolitik verantwortlich. In einer ARD-Umfrage nennen 28 Prozent wirtschaftliche Sorgen als Hauptgrund, 27 Prozent führen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung an. Insgesamt 17 Prozent der Deutschen geben der sächsischen Landespolitik die Verantwortung für die Ausländerfeindlichkeit. Zehn Prozent sehen vor allem Versäumnisse bei der Erziehung in Elternhaus und Schule.

In der Umfrage gibt von den befragten Ostdeutschen jeder Dritte (33 Prozent) der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung die Schuld an der gewachsenen Fremdenfeindlichkeit. Die Westdeutschen verweisen stärker auf wirtschaftliche Sorgen in Sachsen, dies nannten 29 Prozent als Hauptgrund.

Nach Ansicht von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich wird sich das Image Sachsens nach den fremdenfeindlichen Übergriffen in Clausnitz und Bautzen so schnell nicht wieder verbessern lassen. „Der Ruf Sachsens leidet“, sagte der CDU-Politiker der „Saarbrücker Zeitung“. Es werde „Kraft und Zeit kosten, den guten Ruf als weltoffenes und inspirierendes Land wieder komplett herzustellen“. Der Ministerpräsident betonte, die weit überwiegende Mehrheit der Sachsen sei anständig „und genauso wütend wie ich über Anfeindungen und Gewalt gegen Flüchtlinge und Asylbewerber“.

Bundespräsident Joachim Gauck wandte sich am Freitag direkt an fremdenfeindliche Personen im Land: „Richtet Eure Unzufriedenheit und Eure Wut nicht gegen jene, die viel schwächer und verletzlicher sind, als ihr es seid!“, sagte er bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. Und weiter: „Isoliert die Hetzer, die Brandstifter und Gewalttäter. Wenn ihr protestieren wollt, dann achtet die Regeln! Werdet meinetwegen laut gegenüber Euren Bürgermeistern, Abgeordneten, Ministern, aber hört dann auch denen zu, was sie Euch zu sagen haben.“

Seite 10 Was ist bloß mit Sachsen los?