Berlin.

Vergewaltiger sollen leichter bestraft werden, Opfer öfter zu ihrem Recht kommen: Justizminister Heiko Maas will den Vergewaltigungsparagrafen verschärfen – doch die Pläne des SPD-Politikers gehen vielen nicht weit genug. Die Union will nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht zusätzlich schärfere Strafen für Grapscher einführen. Drei Rot-Grün-geführte Länder gehen noch weiter. Sie fordern ein komplett neues Strafsystem: Jede sexuelle Handlung, die sich gegen den erklärten Willen des Opfers richtet, soll bestraft werden – kurz: ein Nein soll reichen. Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wollen von diesem Freitag an über den Bundesrat Druck machen.

Derzeit gilt: Um wegen Vergewaltigung bestraft zu werden, muss der Täter Gewalt anwenden, unmittelbare Gewalt androhen oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzen. In der Praxis aber läuft es häufig anders: Täter müssen oft gar keinen körperlichen Widerstand überwinden – sie überrumpeln ihre Opfer oder schüchtern sie ein. Ehemänner drohen mit Trennung, Vorgesetzte mit beruflichen Folgen.

Ein einfaches Nein des Opfers reicht derzeit nicht aus, um den Täter als Vergewaltiger zu bestrafen. Maas will deswegen in Zukunft auch solche Fälle einbeziehen, in denen Täter besondere Umstände ausnutzen: Indem sie ihre Opfer überrumpeln oder psychisch unter Druck setzen. „Wir schließen mit unserem geplanten Gesetz alle strafwürdigen Schutzlücken“, bekräftigte eine Sprecherin gegenüber dieser Zeitung. „Schnellstmöglich“ soll es jetzt ins Kabinett kommen.

Einigen Ländern reicht das nicht. Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wollen mehr als eine kleine Reform – sie wollen ein ganz neues Sexualstrafrecht: „Es reicht nicht, das Strafrecht in einigen Punkten zu ergänzen“, sagte der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) dieser Zeitung. „Wenn sich eine Frau aus Angst vor ihrem Ehemann nicht gegen eine Vergewaltigung wehrt, aber Nein sagt oder weint, wird das auch nach den Reformplänen von Justizminister Maas für eine Verurteilung oft nicht ausreichen.“ Steffen hat beim Vorstoß der Länder nicht nur viele Opferverbände hinter sich, sondern auch den Deutschen Juristinnenbund. „Wir müssen sexuelle Übergriffe grundsätzlich unter Strafe stellen, sonst bleiben immer wieder Strafbarkeitslücken“, so der Grünen-Politiker. „Jede sexuelle Handlung, die sich gegen den erklärten Willen des Opfers richtet, muss bestraft werden können.“

Für den Juristen gehören auch Fälle wie die Attacken auf Frauen in der Silvesternacht dazu: „Auch Grapschen muss als Straftat verfolgt werden können.“ Heute dagegen gilt: Wer einer Frau im Gedränge an die bekleidete Brust fasst, wer ihr im Aufzug oder in der U-Bahn in den Schritt greift, muss sich heute möglicherweise wegen Beleidigung verantworten – in der Regel aber keine Strafe wegen sexueller Belästigung fürchten. Die Tat gilt als nicht erheblich genug.

Auch die CDU fordert eine Nachbesserung des Gesetzentwurfs

Nach dem Willen der Union muss Maas hier seinen Gesetzentwurf nachbessern: „Wir müssen künftig auch übergriffiges sexualisiertes Verhalten bestrafen können“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, dieser Zeitung. „Vor allem das Grapschen.“ Die Forderung des rot-grünen Ländertrios, jede sexuelle Handlung, die sich gegen ein Nein des Opfers richtet, zu bestrafen, hält die Juristin in der Praxis dagegen für problematisch: Zwar sei in jeder Situation das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers das entscheidende Kriterium. „Aber es muss auch gewährleistet sein, dass das Nein für den Täter klar erkennbar ist.“ Gerade in Beziehungen sei das aber schwierig – zumal, wenn über ein einfaches Nein hinaus überhaupt keine Abwehrreaktion erfolge.

Unmittelbar nach den Ereignissen der Silvesternacht klang die CDU noch forscher. In ihrer „Mainzer Erklärung“ forderte der CDU-Vorstand eine weitreichende Reform des Vergewaltigungsparagrafen: „Für den Straftatbestand muss ein klares Nein des Opfers ausreichen, auch wenn nicht zugleich der Tatbestand der Gewalt oder Nötigung vorliegt.“

Bereits vor einem Jahr hatte Justizminister Maas eine Expertenkommission damit beauftragt zu klären, ob sein Gesetzentwurf ausreicht – oder eine Grundsatzreform nötig ist. Im Sommer soll es Ergebnisse geben. Den drei Bundesländern dauert das zu lange: „Wir dürfen nicht weiter Zeit verlieren“, sagt Hamburgs Justizsenator Steffen. „Eine grundsätzliche Reform ist überfällig. Wir sollten sie noch in diesem Jahr beschließen.“