Graz/Berlin.

Der Flüchtlingszustrom auf der Balkanroute reißt nicht ab: Nach der weitgehenden Schließung der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien für Flüchtlinge versuchten 5000 Menschen am Montag, einen Eisenbahngrenzübergang zu stürmen. Auch Österreich kontrolliert seine Grenzen jetzt stärker – doch sein Kurs in der Flüchtlingskrise ist in Deutschland und Europa hochumstritten. „Wir akzeptieren das nicht“, sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Spaltet Wien die EU? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Maßnahmen ergreift Wien?

Österreich hat das getan, wogegen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seit Monaten sperrt: Es gilt jetzt eine Obergrenze für Flüchtlinge. Wien wird nur 80 Asylbewerber am Tag aufnehmen. 37.500 Flüchtlinge dürfen im Jahr 2016 kommen. Doch bis zu 3200 Menschen am Tag sollen die Grenze zu Österreich überschreiten dürfen, wenn sie weiter nach Deutschland ziehen. Zudem sollen weitere Grenzzäune gebaut werden. Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verteidigt diese Politik gegen die Kritik aus Berlin. Deutschland könne nicht Griechenland „eine weitere Politik der offenen Grenzen zusichern“ und gleichzeitig von Österreich verlangen, dass es jene Flüchtlinge stoppe, die nach Deutschland wollten: „Das sind völlig unterschiedliche Signale Deutschlands.“ Aktuell geht der Flüchtlingsstrom zurück. So erreichten am Sonnabend 472 Menschen Deutschland, davon 387 über die deutsch-österreichische Grenze. Am 15. Februar waren es noch 2196 Menschen. Laut Bundespolizei sind im Jahr 2016 bisher 99.600 Flüchtlinge ins Land gekommen.

Wie reagiert die deutsche Politik?

Die Bundesregierung ist empört, die Kritik ist, gemessen an diplomatischen Umgangsformen, heftig. Innenminister de Maizière sagt, dies sei „das falsche Signal“. 3200 Flüchtlinge, das sei „viel zu hoch“. Der ARD sagte er: „Wenn andere glauben, zusätzlich Lasten auf Deutschland abzuladen, werden wir das auf Dauer nicht hinnehmen.“ CDU-Vize Armin Laschet sprach in der „Welt“ von „billiger Durchwinkpolitik“. Es gibt aber auch Zuspruch, wenn auch nur wenig. So sieht CDU-Vize Julia Klöckner Österreich als Vorbild.

Wird Österreich zum Spaltpilz
in Europa?

Der EU-Kommissionspräsident ist eindeutig in seiner Ablehnung. „Ich mag diese Entscheidung Österreichs nicht“, sagt Jean-Claude Juncker. Er will sogar eine juristische Prüfung. Nach Information des österreichischen „Standard“ sieht die Haltung der EU-Kommission in Brüssel so aus: „Solange es keine Lösung in Griechenland gibt, kann Österreich seine Grenzen nicht schließen, die Regierung darf sie auch nicht nach Deutschland durchwinken.“ Auch Rom zweifelt an Wien. Der italienische Premier Renzi pocht darauf, die Grenze am Brenner offen zu halten. Italien fürchtet wie Bulgarien, zu Ausweichrouten zu werden, falls die Balkanroute komplett dichtgemacht wird. Griechenland, Kroatien und Slowenien wollen bei einer Schließung der Balkanroute nicht zur Sackgasse für Flüchtlinge werden. Slowenen und Kroaten hoffen, sich eng mit Österreich abzustimmen. So würde das Problem nach Südosten weitergereicht – bis nach Griechenland. Am Donnerstag treffen sich die EU-Innenminister. Österreichs Alleingang soll bei diesem Treffen diskutiert werden. De Maizière macht Druck, will eine internationale Lösung – und noch mehr nationale Alleingänge verhindern: Für europäische Maßnahmen gegen die Flüchtlingskrise blieben nur 14 Tage Zeit, sagte er.