Minsk.

Als „bekloppte Erfindung des Westens“ verhöhnte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko noch vor wenigen Jahren die demokratische Regierungsform. Seit Kurzem beteuert der autoritäre Staatschef aber, er habe in seinem oft noch sowjetisch geprägten Land einen Reformkurs eingeleitet. Als Reaktion lässt die EU Sanktionen gegen das Regime Ende Februar auslaufen.

Mit der Entscheidung will die EU Lukaschenkos Entgegenkommen in den vergangenen Monaten würdigen und Anreize für mehr Demokratie setzen. Die Präsidentenwahl verlief 2015 zwar nicht nach internationalen Standards, es gab aber Fortschritte. So registrierte die EU weder klare Repressalien gegen die Opposition noch Gewalt. Schon vor der Wahl waren politische Gefangene freigelassen worden.

Experten zufolge treiben die Sanktionen Weißrussland weiter in die Arme von „Bruderstaat“ Russland. Weißrussland könnte künftig häufiger eine Vermittlerrolle spielen – wie etwa im Ukraine-Konflikt. Auch wirtschaftliche Überlegungen dürften nicht unbedeutend sein: Beobachtern zufolge könnte sich Weißrussland zur Drehscheibe zwischen Ost und West entwickeln. Die Lage zwischen den EU-Staaten Polen, Litauen, Lettland einerseits und Russland andererseits ist günstig.

Für Lukaschenko und 169 Gefolgsleute bedeutet die Entscheidung, dass sie nicht mehr auf einer Liste mit EU-Einreiseverboten stehen. Zudem müssen sie keine Kontosperrungen mehr fürchten. Ein Waffenembargo sowie Sanktionen gegen vier Weißrussen, die am Verschwinden von Regimegegnern beteiligt sein sollen, werden aber aufrechterhalten.

Die meisten Regimegegner warnen allerdings vor einem Nachlassen des Drucks auf die politische Führung in Minsk. Lukaschenko wende sich derzeit Europa zu, weil er vom Westen Geld benötige, meint etwa Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch.