Berlin/Warschau.

Seit fast drei Monaten ist Beata Szydlo polnische Ministerpräsidentin – und jetzt hat sich offenbar endlich eine Lücke im Terminkalender aufgetan, um den Nachbarn im Westen zu besuchen.

Normalerweise reisen frisch gewählte Regierungschefs aus Deutschland oder Polen in den ersten Tagen nach ihrer Wahl in die jeweils andere Hauptstadt. Doch die nationalkonservative Beata Szydlo hat sich Zeit bis zu diesem Freitag gelassen. Das ist schon ein Indiz: Es steht nicht gut um die deutsch-polnischen Beziehungen. In Berlin wird unter anderem kritisch gesehen, dass sie Ungarns rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Victor Orbán bereits mehrfach getroffen hat. Die hektische Politik der neuen nationalkonservativen Regierung wirkt wie eine Kopie der Orbán-Gesetze: Im Verfassungsgericht sitzen nun der Partei angenehme Richter. Und die Partei entscheidet jetzt auch, wer die Spitzenposten in staatlichen Medien bekommt.

Szydlo hat alle EU-Fahnen aus dem Saal entfernen lassen, in dem sie ihre Pressekonferenzen abhält. Hinter ihrem Rednerpult prangten „nur die schönsten weiß-roten Nationalflaggen“, wie es die 52-Jährige ausdrückte. Sie sei Europäerin, aber vor allen Dingen stolze Polin. Gegenüber Brüssel betont sie: „Wir werden keine Politik auf Knien führen.“ Und sie denkt gar nicht daran, Deutschland in der Flüchtlingskrise zu helfen, also etwa Migranten aufzunehmen. „Man kann den Export selbst geschaffener Probleme anderer Länder nicht Solidarität nennen“, sagt sie und meint damit die Grenzöffnung Merkels am 4. September 2015. Mehr Nationalstaat, weniger Europa, das ist Szydlos Linie. Dabei ist Merkel auf eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise angewiesen.

Szydlo ist eine Scharfmacherin. Doch hinter ihr steht einer, der noch viel härter ist: Jaroslaw Kaczynski, Ex-Premier und Chef der nationalkonservativen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit). Er hatte mehrere Wahlen verloren, schob Szydlo vor.

Trotz aller Unterschiede ist bei Szydlo und Merkel eine biografische Parallele sichtbar. Szydlo gilt als Schülerin des mächtigen PiS-Chefs. Sie ist „Kaczynskis Mädchen“, so wie Merkel einst „Kohls Mädchen“ war. Es ist allerdings fraglich, ob sich Szydlo jemals von Kaczynski emanzipieren wird, wie es Merkel in der CDU-Spendenaffäre vom abgewählten Kohl getan hat.

Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), hält Szydlo für eine „Premierministerin, die wie eine Marionette von Jaroslaw Kaczynski gelenkt wird“. Szydlo habe sich im Januar im EU-Parlament sachlich und gesprächsbereit gezeigt, sagte Lambsdorff dieser Zeitung. „Aber das heißt nichts, solange der Spieler im Hintergrund nicht seine antideutschen Gefühle unter Kontrolle kriegt und seine antieuropäische Politik ändert.“