Berlin. CSU-Chef Seehofer spielt in der Flüchtlingskrise auf die DDR-Biografie von Bundeskanzlerin Merkel an

Zuletzt war es ein paar Tage ruhig. Doch jetzt gibt es wieder heftigen Gegenwind für die Kanzlerin aus Bayern. CSU-Chef Horst Seehofer rückt die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 4. September 2015 verkündete Grenzöffnung für Flüchtlinge in die Nähe des Vorgehens von Unrechtsstaaten. „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung“, sagte der bayrische Ministerpräsident der „Passauer Neuen Presse“. „Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“

Seehofers Äußerung bezieht sich darauf, dass die Bundesregierung nach Meinung der bayerischen Staatsregierung und des von ihr beauftragten Verfassungsrechtlers Udo Di Fabio verpflichtet wäre, die deutsche Grenze zu schützen. Dass Flüchtlinge und Migranten ohne gültige Einreisepapiere ungehindert ins Land einreisen dürfen, ist aus Sicht Di Fabios und der CSU ein andauernder Rechtsverstoß.

Formulierungen wie „Herrschaft des Unrechts“ verwendete die CSU allerdings bislang für Diktaturen wie einst die DDR. Auf der anderen Seite wehrt sich die Linkspartei seit Langem, die DDR einen „Unrechtsstaat“ zu nennen. Angela Merkel wuchs in der DDR auf – Horst Seehofer muss diese historische Anspielung bei der Formulierung seines Vorwurfs zumindest bewusst gewesen sein.

Die Staatsregierung in München wird wahrscheinlich noch vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern am 13. März über eine Verfassungsklage gegen Merkels Flüchtlingspolitik entscheiden. Die CSU werde ebenso wie die Kanzlerin noch im Februar eine Zwischenbilanz ziehen, sagte Seehofer. „Dann werden wir entscheiden, ob der Freistaat seine Klage beim Bundesverfassungsgericht einreicht oder nicht.“

In dem Di-Fabio-Gutachten ist demnach von einer Sechs-Monats-Frist für eine Klage in Karlsruhe die Rede. Merkel öffnete die Grenze am 4. September, die Frist würde somit am 4. März enden. Gewählt wird am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Er könne „da nicht opportunistisch handeln und eine Klage unterlassen, nur weil ich befürchten muss, dass mich dafür nicht alle lieben“, sagte Horst Seehofer.

Doch nicht nur Merkel bekommt Seehofers Unmut zu spüren. Der CSU-Chef knöpft sich auch den Regierungspartner SPD vor. Auf die Frage, ob es für ihn denkbar sei, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel die große Koalition platzen lässt, um mit Linken und Grünen den Rest der Wahlperiode zu regieren, antwortete er: „Ich würde bei den Sozialdemokraten gar nichts mehr ausschließen. Ich kann bei ihnen keine Linie erkennen.“