Hampton. Wenn Clinton bei den Vorwahlen in New Hampshire scheitert, könnte sie es wieder nicht ins Weiße Haus schaffen. Sanders nicht zu stoppen

Bernie Sanders und seine Anhänger verstehen sich blind an diesem eiskalten Tag im Great Bay Community College von Portsmouth. Weil die Turnhalle der Universität im Nordosten von New Hampshire bis unters Dach gefüllt ist, haben die Organisatoren der Wahlkampfveranstaltung in der Cafeteria Lautsprecher aufgestellt. Gut 200 Menschen drängen sich dort und lauschen der krächzenden Stimme des Senators aus dem Nachbarstaat Vermont. Demoskopen prophezeien dem 74-jährigen Sanders bei der zweiten Vorwahl im US-Wahlkampf am heutigen Dienstag auf Seiten der Demokraten einen fulminanten Sieg gegen Favoritin Hillary Clinton.

„Haben wir die Kraft aufzustehen gegen eine Politik, die nur für die reichen ein Prozent der Bevölkerung gemacht ist?“, ruft der vierfache Vater und siebenfache Großvater, der mit seinem blauen Pullover wie ein Soziologieprofessor auf dem Podium wirkt, in den Saal. Frenetischer Jubel ist die Antwort, ein blaues Meer aus Plakaten gerät in Bewegung. Darauf steht: „Eine Zukunft, an die wir glauben können.“ Dorothea Dell Cecco, 73, Tochter griechischer Einwanderer, ist eine typische „Bernianerin“. Die ehemalige Lehrerin schätzt die „nüchterne Ansprache“ des Kandidaten. „Er hält sein Publikum nicht für dumm.“ Bernie habe ihre Stimme sicher.

Selbst Demokraten vertrauen Hillary Clinton nicht

Dass sie damit möglicherweise den ersten Einzug einer Präsidentin ins Weiße Haus verhindert, weiß Dell Cecco. Noch ist das Rennen aber nicht gelaufen. Die Meinungsforschungsindustrie überbietet sich zwar seit Tagen mit detaillierten Prognosen. Dabei wird aber oft als Fußnote versteckt, dass über 45 Prozent der Bürger noch unentschlossen sind. Besonders schwer einzuschätzen ist die Gruppe der unabhängigen Wähler, die in New Hampshire zwischen Bewerbern beider Parteien entscheiden können. Zum Beispiel Jill.

Die 64-Jährige sitzt an der Rezeption des „Lamie’s Inn And The Old Salt Tavern“ in Hampton, eins der Landgasthäuser an der Küste New Hampshires. „Manches, was Donald Trump über die Einwanderung und die Bedrohung durch den Islam sagt, kann ich verstehen“, erklärt sie. „Ich mag auch Chris Christies unverstellte Art. Nur Hillary – die geht für mich gar nicht, einfach nicht vertrauenswürdig genug.“ Wen sie wählen wird? „Oh Boy, ich werde mich in der Wahlkabine entscheiden. Wenn der Schneesturm mich lässt.“

Hillary – nicht vertrauenswürdig genug? Das könnte auch an ihrem Mann Bill liegen, der für sie Wahlkampf macht. Wie der frühere Präsident, der gesundheitlich angeschlagen wirkt, das tut, sorgt unter Beobachtern für Stirnrunzeln. Hatte Hillary Clinton ihren einzigen Konkurrenten um die demokratische Präsidentschaftskandidatur zuletzt recht pfleglich behandelt, so zieht ihr Ehemann die Samthandschuhe aus und wird zum Zuschläger. „Heuchlerisch, unehrlich, illusorisch, hermetisch verschlossen gegen die Wirklichkeit“ – so bezeichnete Mr. Clinton die sozialdemokratisch geprägten Politikkonzepte von Sanders. Ähnliche Breitseiten hatte Bill Clinton schon 2008 gegen den damaligen Widersacher seiner Frau – Barack Obama – abgefeuert. Vergebens.

Hinter dem Versuch der Charakterbeschädigung von Sanders steht die Sorge im Clinton-Lager, dass der grantelnde Senior im Falle eines Sieges in New Hampshire seine Attraktivität noch steigern könnte – nicht nur bei den vielen jungen Wählern, die ihn zu fast 90 Prozent gegenüber Hillary bevorzugen, sondern auch bei den demografisch relevanten afro-amerikanischen und hispanisch geprägten Wählerschichten, die bei den Vorwahlen in Nevada und South Carolina das Zünglein an der Waage sein werden.