Paris. Frankreich empfängt Rohani mit allen Ehren, nimmt aber keine Rücksicht auf religiöse Empfindlichkeiten

Wenn milliardenschwere Wirtschaftsverträge winken, rollt man einem Staatsgast im Mutterland der Menschenrechte selbst dann den Roten Teppich aus, wenn er der Repräsentant eines diktatorisch regierten Landes ist. Deshalb kam auch der iranische Präsident Hassan Rohani am Mittwoch in Paris in den Genuss eines feierlichen Empfangs mit allen militärischen Ehren. Nach Italien führte Rohani die zweite Etappe seiner europäischen Einkaufstournee nach Frankreich.

Für die Regierungen in Paris und Teheran geht es um nichts weniger, als ein neues Kapitel ihrer diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen aufzuschlagen. Dazu gehört, dass Frankreichs Staatschef François Hollande seinen beinharten Kurs in der Atomfrage und gegenüber dem syrischen Assad-Regime vergessen machen will. Aber bei aller zuvorkommenden Aufmerksamkeit, mit der die Franzosen Rohani zu umhegen bereit sind, kennt ihre Kompromissbereitschaft doch einige Grenzen.

Der marmorweiße Busen der Venus von Milo im Louvre etwa wird auf keinen Fall verhüllt. Und den Wunsch der streng muslimischen Iraner nach einem Halal-Festmahl – ohne Schweinefleisch und Alkohol – im Élysée-Palast haben sie ausgeschlagen. Schon wegen des gastronomischen Anspruchs, aber auch wegen des strikten Laizismus ist es für Frankreich schlicht undenkbar, bei einem Staatsbankett aus religiösen Gründen auf einen guten Weinjahrgang aus nationaler Produktion zu verzichten.

Nein, wenn es um einen guten Tropfen Bordeaux geht, lässt kein französischer Präsident mit sich spaßen. Tatsächlich hat diese Getränkefrage schon einmal für einen handfesten Eklat zwischen Paris und Teheran gesorgt. 1999 hatte der damalige Élysée-Hausherr Jacques Chirac einen Staatsbesuch seines iranischen Amtskollegen Mohammed Khatami empört abgesagt, weil er es als eine Zumutung empfand, zum Diner an seiner Tafel lediglich Wasser zu servieren. Sechs Monate benötigten die Diplomaten beider Länder damals, um die Verstimmung auszuräumen und ein neues Besuchsprotokoll auszuhandeln.

Chirac hat Khatami 1999 schließlich nur zu einem „Goûter“, einem gemeinhin alkoholfreien Nachmittagsimbiss im Élysée-Palast empfangen. Hollande wird es am heutigen Donnerstag genauso halten und sich mit Rohani bei Tee oder Kaffee über die Lage in Nahost und den Kampf gegen den islamistischen Terror austauschen. Paris hofft, dass sich der Iran künftig stärker einbringt bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien. Aber selbstverständlich geht es nach dem Ende der meisten vom Westen gegen den Iran verhangenen Finanz- und Handelssanktionen auch um die Wiederaufnahme der einst florierenden Wirtschaftsbeziehungen.

Der Iran will milliardenschwere Importverträge abschließen

Dass Rohani in Paris den Kauf von 14 Airbus-Flugzeugen unterzeichnet, galt schon lange vor dem Besuch als ausgemacht. Aber der iranische Präsident will auch mit Peugeot und Renault, die vor dem Atomstreit den iranischen Automarkt beherrschten, neue Importverträge abschließen. Insgesamt weist sein zweitägiges Besuchsprogramm nicht weniger als 25 Treffen mit Führern der wichtigsten französischen Industriekonzerne auf.

Ob Hollande mit Rohani auch über die Menschenrechtslage im Iran sprechen wird, ließ das Präsidialamt am Mittwoch noch im Dunkeln. Allerdings wurde trotz des in Paris noch immer herrschenden Ausnahmezustands eine für Donnerstagnachmittag geplante Protestdemonstration des Nationalen Widerstandsrats des Iran (NWRI) genehmigt. Dessen im französischen Exil lebende Mitglieder haben vor, die gnadenlose Verfolgung von Gegnern des Mullah-Regimes im Iran anzuprangern. Wie Amnesty International bestätigt, hat sich unter der Präsidentschaft des im Westen als gemäßigt angesehen Rohani die Zahl der vollstreckten Todesurteile drastisch erhöht. Seit seinem Amtsantritt wurden mehr als 2000 Menschen im Iran hingerichtet, darunter zahlreiche Minderjährige.