Berlin. Helfer berichten, dass in der Nacht ein Flüchtling gestorben ist, der tagelang krank am Lageso warten musste. Viele Fragen sind offen.

Ein Flüchtling soll in Berlin gestorben sein, nachdem er tagelang vor dem Versorgungsamt Lageso warten musste. Helfer machen den Behörden Vorwürfe. Doch der Senat betont, es gebe keine Bestätigung.

Was soll passiert sein?

Eine freiwillige Helferin am Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales) hat am Morgen auf Facebook berichtet, dass in der Nacht zu Mittwoch ein 24 Jahre alter Flüchtling aus Syrien gestorben ist. Demnach habe ein weiterer Helfer, Dirk V., den erschöpften Mann zu sich nach Hause genommen. Als sich dessen Zustand verschlechterte, habe er einen Rettungsdienst gerufen.

Warum soll es dem Mann so schlecht gegangen sein?

Nach Informationen des Bündnisses „Moabit hilft“ war der Flüchtling durch tagelanges Warten am Lageso gesundheitlich angeschlagen. Es habe sich eine Erkältung entwickelt, die sich so stark entwickelt hatte, dass der Mann hohes Fieber und Schüttelfrost hatte, sagte Sprecherin Diana Henneges. Ob er bereits mit einer Vorerkrankung nach Deutschland kam, ist nicht bekannt.

Wo starb der Mann den Angaben zufolge?

Noch im Rettungswagen sei der Herzstillstand festgestellt worden, berichten Reyna Bruns und das Bündnis „Moabit hilft“. Sie beziehen sich auf die Aussagen des Helfers Dirk V. Wegen seines schlechten Zustandes sei er von einem Krankenwagen abgeholt worden. Er starb den Angaben zufolge aber auf dem Weg in die Klinik.

Gibt es eine offizielle Bestätigung?

Nein, weder Polizei noch Feuerwehr ist der Fall bislang bekannt. Der Helfer, der den Rettungsdienst für den Flüchtling rief, hat sich bislang nicht öffentlich geäußert. Der Abgeordnete Fabio Reinhardt kündigte an, dass V. sich am Lageso äußern wolle. Dort ist V. aber nicht erschienen. Wie Diana Henneges am Nachmittag vor dem Lageso sagte, habe sich V. zuhause verbarrikadiert. Sein Handy sei ausgeschaltet. Er wolle mit niemandem sprechen. Vermutlich stehe er unter Schock. „Moabit hilft“ versuche zusammen mit der Polizei, den Kontakt zu Dirk V. herzustellen. „Wir versuchen dafür zu sorgen, dass er eine Aussage tätigt“, so Henneges. Auch wenn er derzeit schweige, habe V. ihr Vertrauen.

Was sagt die Senatsverwaltung?

Zu dem Tod eines Flüchtlings in Berlin gibt es nach Angaben der zuständigen Senatsverwaltung noch keine Bestätigung. „Wir haben zu dem Fall bisher noch keine belastbaren Informationen“, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales am Mittwoch. Der Fall werde „unter Hochdruck“ geprüft. Keines der angefragten Krankenhäuser habe einen solchen Todesfall bestätigt habe.

Was sagt die Feuerwehr zu dem Vorfall?

Feuerwehrsprecher Sven Gerling sagte der „Berliner Morgenpost“: „Wir haben für die letzten 24 Stunden keinen Einsatz am Wohnort des Flüchtlingshelfers, der ins Suchraster passt.“ Vor 50 Stunden habe es einen Einsatz gegeben, dabei habe es sich jedoch um einen 50-jährigen Mann gehandelt. Die Feuerwehr habe zwei Mitarbeiter abgestellt, die den ganzen Tag in diesem Fall recherchiert hätten. Selbst wenn man bis zum Jahresanfang zurückgehe, sei kein Fall zu finden, der mit dem vom Flüchtlingshelfer behaupteten übereinstimme.

Nur ein Notarzt oder ein Arzt in einem Krankenhaus könne den Tod eines Menschen feststellen. Auch bei den Rettungseinsätzen von Deutschem Roten Kreuz (DRK), Johanniter, Malteser sowie Arbeiter-Samariter-Bund, die auf den Wachen der Feuerwehr im Stadtgebiet stationiert sind, habe es im entsprechenden Zeitraum keine Einsätze gegeben, die auf den von „Moabit hilft“ beschriebenen Fall passen würden, sagte der Feuerwehrsprecher.

Ermittelt nun die Polizei?

Die Polizei ermittelt nur, wenn es sich um ein Verbrechen handelt oder eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung vorliegt. Ein Polizeisprecher sagte, man prüfe, ob die Angaben im Internet zutreffend seien. „Derzeit gibt es aber nichts, was diese Darstellung bestätigt“, sagte er der „Berliner Morgenpost“. Noch gebe es keine Leiche. „Wir rufen derzeit bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten an, um den Fall zu klären.“

Wie geht die Polizei weiter vor?

Die Polizei hat am Mittwochabend Kontakt zu dem Lageso-Helfer aufnehmen können und befragt den Mann derzeit. Wie die Morgenpost erfuhr, lieferte das Gespräch bislang keine neuen Hinweise auf einen toten Flüchtling.

Was sagt das Bündnis „Moabit hilft“?

Ein Sprecherin des Bündnisses „Moabit hilft“ betonte, man habe derzeit keinen Anlass, die Angaben des Helfers anzuzweifeln. Wenn sich der Fall bewahrheite, müsse „die direkte Konsequenz“ der Rücktritt von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sein.

Die Helferin, die morgens den Facebook-Post verbreitete, hat ihn am späten Nachmittag überarbeitet. Sie bittet darum, ihren Post nicht weiter zu teilen und den Inhalt bereits geteilter Beiträge zu aktualisieren: „Bis Dirk sich meldet und die Informationen, die jetzt allen zu dem Vorkommnis fehlen, preisgibt – nämlich WELCHES KRANKENHAUS, WELCHER KRANKENTRANSPORT, NAME DES BETROFFENEN – bitte ich Euch, den Post NICHT weiter zu teilen, sondern nur Eure Shares mit diesem Edit zu ergänzen, bitte. Diese Informationen MÜSSEN jetzt an Polizei und die auf allen möglichen Ebenen mutmaßende Presse weitergegeben werden“, schreibt sie. Und weiter: „Das kann ich nicht, das kann nur Dirk.“

Wie ist die Lage am Lageso?

Vor dem Lageso hing am Mittwoch eine Trauerbekundung, davor standen zahlreiche Kerzen. „Wir weinen“ war auf dem schwarz umrandeten Zettel unter anderem zu lesen. Auch das Lageso wurde darauf kritisiert. Die Senatsverwaltung hatte erst am Vortag mitgeteilt, dass die Situation am Lageso wegen eines hohen Krankenstandes der Mitarbeiter „besonders angespannt“ sei. Zuletzt gab es erhebliche Engpässe bei der Auszahlung von Leistungen an Asylbewerber.

Eine Hotline soll künftig unter anderem dafür sorgen, dass Flüchtlinge das ihnen zustehende Geld rechtzeitig bekommen. Sie soll Betroffenen Extratermine zur Auszahlung beim Lageso vermitteln.

War der Mann als Flüchtling registriert?

Diana Henneges vom Bündnis „Moabit hilft“ berichtet, der Mann sei als Flüchtling registriert gewesen und sei bei der Zentralen Leistungsstelle Asyl (ZLA) vorstellig geworden. „Er war völlig mittellos, hatte keinen Krankenschein, konnte sich nicht selbst versorgen“, sagte Diana Henneges. Auch diese Information ist noch nicht offiziell bestätigt. (BM/ska)