Köln/Berlin. Nach der Gewalt an Silvester mobilisieren Rechtsextremisten gegen Flüchtlinge und Muslime. Für ihre Parolen bekommen sie Applaus

Ein Plakat in Köln zeigt, wie schnell die rechte Szene die Übergriffe in der Silvesternacht für Hetze nutzt. „Rapefugees – Not welcome“. „Rape“ ist Englisch und heißt „Vergewaltigung“. Der Spruch ist die fremdenfeindliche Variante des Slogans der Willkommenskultur: „Refugees welcome“. Zwei Demonstranten halten das Schild am Wochenende in der Innenstadt hoch, zwischen 1700 Menschen, zu denen laut Polizei vor allem Hooligans gehören.

Zehn Tage nach der sexualisierten Gewalt am Kölner Hauptbahnhof hatten das islamfeindliche Pegida-Bündnis, aber auch die rechtsextreme Partei Pro NRW zu dem Protest aufgerufen. Schon beim Eintreffen der Demons­tranten hatte die Polizei von einer aggressiven und aufgeheizten Stimmung gesprochen. Später flogen Flaschen und Böller. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfereinsatz und löste die Kundgebung auf. Radikale Kleinparteien wie die Rechte oder Gruppen wie die sogenannten Identitären riefen ebenso zu der Demonstration in Köln auf wie Verbände der Neonazipartei NPD. Die Mobilmachung zeigt, wie schnell die rechte Szene auf die Silvesternacht in Köln reagiert. Dort wurden etliche Frauen Opfer von Gewalt, es kam zu Diebstahl und Körperverletzung. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen gingen die Straftaten vor allem von Ausländern aus – und „Rapefugees“ ist nun das Stichwort, unter dem sich im Internet auch rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und Muslime sammelt. „Islam ist der Krebs, Pegida ist die Heilung“, postet ein Nutzer.

Von „Negern“ und „Sex-Dschihad“ ist die Rede. Auch Kanzlerin Merkel ist Ziel der Hetze. „Warum brennt das Kanzleramt nicht?“, fragt der Nutzer Alfred T. Ein anderer rät zur Selbstjustiz: „Kauf eine Pistole.“ Die Kommentatoren nutzen die Seiten von NPD, der Rechten oder Pegida für ihren Hass – und die Gewalt gegen Frauen ist nur Aufhänger, um dann vor dem „Untergang des deutschen Volkes“ oder einem „Bürgerkrieg“ zu warnen. Es ist eine Rhetorik radikal rechter Gruppen, die nicht neu ist. Die Vorfälle in Köln geben ihnen jedoch Aufwind. Im Sommer hatte der Verfassungsschutz davor gewarnt, dass Rechtsextremisten die hohe Anzahl an Flüchtlingen für ihre Propaganda ausnutzen. Behörden beobachten, dass die Zahl der Anti-Asyl-Proteste durch Neonazis stark ansteigt. Flüchtlingsunterkünfte wurden 2015 mehr als viermal so häufig angegriffen wie im Vorjahr. Ein Verfassungsschützer erklärt, dass Extremisten in der Flüchtlingskrise die Chance sehen, mit ihren radikalen Ansichten Anschluss an die bürgerliche Mitte herzustellen. Und so an Macht zu gewinnen.

Den Sicherheitsbehörden fiel 2015 auch auf, dass fremdenfeindliche Straftaten zunehmend durch Personen begangen wurden, die weder Polizei noch Geheimdienst bekannt waren. Doch gilt auch: Viele Bürger würden sich von Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime abwenden, sobald klar werde, dass NPD oder andere Fremdenfeinde hinter der Organisation stehen.