Istanbul. Luftwaffe beginnt Aufklärungseinsatz. Befürchtet wird, dass die Türkei die Ergebnisse in ihrem Kampf gegen PKK-Rebellen verwendet

Das deutsche Engagement im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat eine neue Dimension erreicht: Am Freitag starteten vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus erstmals Bundeswehr-Tornados zu Aufklärungsflügen über dem IS-Gebiet in Syrien und dem Irak. Nach knapp drei Stunden die erleichternde Nachricht: Die beiden Tornados sind ohne Zwischenfälle von der gefährlichen Mission zurückgekehrt. Auch wenn die Bundeswehr nicht selbst bombardiert: Deutschland dürfte durch das Engagement stärker ins Visier der IS-Terroristen geraten.

Vier Tornados sind seit Dienstag in Incirlik. Insgesamt sollen von Mitte Januar an sechs der deutschen Aufklärungsjets von der türkischen Basis aus für die Anti-IS-Koalition im Einsatz sein. Dass die Mission trotz aller Vorkehrungen gefährlich werden kann, zeigt der Fall des jordanischen Kampfpiloten Muas al-Kasasba. Er war Ende 2014 über der IS-Hochburg al-Rakka im Norden Syriens abgestürzt. IS-Milizionäre verbrannten den 26-Jährigen bei lebendigem Leibe – und veröffentlichten ein Video der Gräueltat im Internet.

Der Einsatz gegen den IS ist nicht der erste der Tornados in einem Konfliktgebiet. Von 2007 bis 2010 flogen die deutschen Aufklärer über Afghanistan, was damals heftige Debatten auslöste. Aus den internationalen Truppen gab es Kritik, dass Deutschland nur aufklären, nicht aber selber Taliban-Ziele angreifen wolle. Kritiker in der Bundesrepublik befürchteten dagegen, die Aufnahmen der deutschen „Tornados“ könnten für Bombenangriffe durch andere Nationen genutzt werden. Inzwischen ist die Sensibilität für solche Bedenken in Deutschland gesunken. Vor allem durch den Kampfeinsatz in Afghanistan ist die Öffentlichkeit inzwischen daran gewöhnt, dass die Bundeswehr auch in kriegerischen Konflikten mitwirkt. „Die Aufklärungsziele sollen dem Kampf gegen den IS dienen. Sie dienen auch als mögliche Ziele für weitere Operationen“, sagt ein Bundeswehrsprecher. Noch deutlicher formuliert es ein deutscher Sicherheitsexperte, der ungenannt bleiben möchte. „Es geht um ‚Targeting‘, auch wenn man das nicht gerne hört. Wir liefern Zieldaten für andere, damit die etwas draufwerfen.“

Für politische Brisanz könnte beim Tornado-Einsatz sorgen, dass Aufklärungsdaten auch der Türkei zugänglich gemacht werden. Die Türkei betrachtet die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in Nordsyrien als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die türkische Luftwaffe greift PKK-Stellungen in der Südosttürkei und im Nordirak immer wieder an. Die Regierung in Ankara droht zudem, sie werde nicht zulassen, dass die YPG ihren Machtbereich an der türkischen Grenze weiter ausdehnt. Westliche Staaten sehen in den Kurdenmilizionären in Nordsyrien dagegen die dringend benötigten Bodentruppen gegen den IS – die sonst niemand stellen möchte.

„Was Aufklärungswert hat, wird an alle Partner weitergegeben“, sagt der Bundeswehrsprecher. „Das, was von Nutzen ist, wird in die Datenbank der Anti-IS-Koalition eingespeist. (...) Es gibt keinen Grund, dass die Türkei bestimmte Bilder nicht sehen darf.“ Die Türkei sei nicht nur Teil der Koalition, sondern auch Nato-Partner. Der Sprecher betont aber: „Nicht die Kurden sind Ziele, sondern der IS.“