Wildbad Kreuth .

Er hätte auch über den Lebensraum des schottischen Lachses referieren können. Die CSU hätte es unverdrossen als Ehre empfunden, dass sie ihn nach Wildbad Kreuth lotsen konnte: David Cameron, britischer Premier, der Mann, auf den sich in Europa alle Blicke richten. Denn: Seine Bürger entscheiden demnächst über einen Verbleib ihres Landes in der EU. Nicht zuletzt internationale Gäste machen den Reiz der jährlichen Klausur der CSU-Landesgruppe aus – sie untermauern ihre Sonderrolle. Wenn die CSU ruft, kommen alle, nebenbei gesagt: Der konservative Cameron schon zum zweiten Mal.

Kreuth-Debütantin Angela Merkel hat ihren Rückflug nach Berlin extra hinausgezögert, um Cameron am Mittwochabend zu treffen. Die Kanzlerin hat den Grexit verhindert, den Ausschluss von Griechenland. Nun will sie auch den Brexit nicht schicksalhaft hinnehmen. Denn: Es gibt mit der Londoner Regierung viele Gemeinsamkeiten, gerade in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Merkel schätzt britischen Pragmatismus. Eine Kostprobe: „Wir wissen beide, dass wir das Geld erst verdienen müssen, bevor wir es ausgeben können.“ Originalton Cameron.

Die Kanzlerin kann die britischen Bürger und den Ausgang des Referendums allenfalls indirekt beeinflussen, indem sie Cameron zu Erfolgen verhilft, im Merkel-Sprech: „Dass wir ein vernünftiges Paket bekommen.“ Was „sehr spannend“ sei. Cameron selbst verlor kein Wort darüber, was er in der Abgeschiedenheit der Voralpen mit Merkel verabredet hat. Die CSU-Abgeordneten erfuhren nichts, ebenso wenig die Journalisten. Aber die Konfliktlinien sind bekannt. Cameron hat sie mit Brief und Siegel von EU-Ratspräsident Donald Tusk erhalten, der die Positionen für alle notiert hat.

Die britische Regierung will erstens nicht den Euro, aber auch keine Nachteile in Kauf nehmen, sondern ihren Einfluss bewahren. Cameron ist zweitens gegen eine weitere Vertiefung der EU und drittens für mehr Entscheidungsbefugnisse der nationalen Parlamente. In diesen Punkten erscheint eine Einigung auf einem Gipfel am 19. Februar möglich. Der Brite soll aus dem Treffen als Sieger hervorgehen. Manche sprechen deshalb schon von einem Scheingefecht oder abgekarteten Spiel.

Entscheidend ist, dass er die richtige Erzählung nach Hause mitnimmt und dass ein Erfolg ihm hilft, seinen Wählern den Austritt aus der EU auszureden. Cameron würde gern „den Verbleib Großbritanniens in einer reformierten EU sichern“, wie er in Kreuth beteuerte.

Da ist allerdings noch eine vierte Forderung – auch sie hielt Tusk in einem Brief fest –, die schwer zu erfüllen ist. Bisher plant Cameron, temporär keine Sozialleistungen an EU-Bürger zu zahlen und überdies Lohnzuschüsse zu streichen. Er spricht von einem „unnatürlichen Drang“ nach Großbritannien, einem drohenden Leck des Sozialsystems. „Der Druck ist groß.“ Im Klartext: Der Brite will die Armutsflüchtlinge – EU-Bürger – loswerden. Ein Anliegen, das der CSU bekannt vorkommt, die vor zwei Jahren in Kreuth eine Kampagne gegen Sozialmissbrauch durch Bulgaren und Rumänen lostrat. Was Cameron plant, wäre im Ergebnis eine Ungleichbehandlung von EU-Bürgern, für alle anderen Staats- und Regierungschefs eigentlich ein No-Go. Gleichwohl ist es eine zentrale Forderung, von der er in Kreuth nicht abgerückt ist und – wenn man CSU-Chef Horst Seehofer fragt – die auch sein Erfolgsgeheimnis ist.

Seehofer hat Cameron am Rande des G-7-Gipfels letztes Jahr im bayerischen Elmau gefragt, wie er es geschafft habe, die absolute Mehrheit zu erringen. Über das Mehrheitswahlrecht in seiner Heimat hat der Brite kein Wort verloren. Er nannte Seehofer nur ein Thema: die Debatte über den Sozialstaat. Bis heute mahnt Cameron unermüdlich, man müsse verhindern, dass der Wohlfahrtsstaat wie ein Magnet wirke. Wie aber könnte ein Kompromiss aussehen, der Cameron zufriedenstellt und zugleich die EU-Grundrechte nicht antastet?

Ob Merkel in Kreuth Zugeständnisse gemacht hat? Cameron sprach von einem „exzellenten Gespräch“. Da sei „guter Willen auf beiden Seiten“. Die Diskussion am Donnerstagmorgen mit den CSU-Abgeordneten war dann nur noch ein Intermezzo – nach dem Treffen mit Merkel und vor der Weiterfahrt nach München, wo der Premier sich bei BMW angesagt hatte. Cameron konnte eine Erkenntnis mitnehmen: Dass die Berliner CSU-Abgeordneten „ein großes Interesse daran haben, dass Großbritannien ein wichtiger und aktiver Partner bleibt“, wie Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt festhielt. Was soll – mit der Weltmacht CSU im Bunde – noch schiefgehen?