Dreieich. Besuch in Dreieich, einer Stadt, die sich mustergültig um Flüchtlinge kümmerte – bis Montag

Barbara Schindler hat die Nachricht beim Frühstück gehört: „In Dreieichenhain …“, einem Ortsteil von Dreieich, so begann die Meldung, da hat die Pfarrerin lauter gestellt. Es ging um Flüchtlinge, ihre Flüchtlinge. Sie erfuhr, dass nicht weit von ihrer Burgkirchengemeinde entfernt, mitten in der Nacht mehrere Schüsse durch ein Fenster eines Flüchtlingsheims gefeuert wurden. In dem Raum wurde ein schlafender 23 Jahre alter Mann getroffen und leicht verletzt.

„Ich konnte es nicht glauben“, sagt sie. „Erst in meiner Weihnachtspredigt hatte ich mich bei den Mitgliedern der Gemeinde bedankt, weil sich so viele ehrenamtlich hier im Ort engagieren.“ Die Flüchtlinge, die hier in Dreieichenhain südlich von Frankfurt untergebracht sind, seien durch Initiativen wie das „Lerncafe“ sehr gut betreut. Die Kinder sind in der Schule aufgenommen worden. „Ich hatte bisher eher das Gefühl, bei uns laufe es vorbildlich.“

Währenddessen hatte die Pressesprecherin der Offenbacher Polizei schon alle Hände voll zu tun, die vielen Medienanfragen deutschlandweit zu beantworten. „So etwas hatten wir noch nie“, sagte Andrea Ackermann, „bei keinem Flugzeugunglück oder anderen Unfällen.“ Dabei kann sie nicht viel sagen oder bestätigen, da wegen des Standes der Ermittlungen Einzelheiten nicht nach außen dringen dürfen. Dem Opfer gehe es gut und sämtliche Bewohner werden zunächst in anderen Unterkünften untergebracht. Medienberichte, dass es ein Syrer sei, wollte sie nicht bestätigen, auch nicht, ob es sich um einen fremdenfeindlichen Übergriff handele. „Wir ermitteln in alle Richtungen.“

Allein in Dreieich sind es zwölf größere und rund 50 kleinere Gebäude, die für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt wurden. So verteilt sich die Zahl der 430 Flüchtlinge im Ort. Es gibt viele Freiwillige, die sich um Deutschunterricht für Flüchtlinge kümmern, der findet jeden Mittwoch statt. Rentner aus Dreieichenhain passen während der Unterrichtsstunden auf die Kinder der Flüchtlinge auf, unterstützen die Familien bei Behördengängen, übersetzen Papiere. Auch die Schulen integrieren die Jugendlichen, und laut einem Lehrer funktioniere das bisher reibungslos.

Ein kleines Grüppchen macht sich mit Kerzen auf in Richtung Flüchtlingsheim. Helen aus Eritrea ist dort wieder eingezogen. Wie fühlt sie sich? „Ich habe Angst“, sagt die 30-jährige in gebrochenem Deutsch knapp. Dann lacht sie, vielleicht um ihren Sohn Jonathan zu beruhigen. Noch nicht einmal ein Jahr ist er alt. „Wir können ja abschließen“, sagt sie. Sie bleibt hier, das ist ihr Zuhause jetzt.