Berlin.

Nächstes Jahr im Herbst ist Bundestagswahl. In einer halben Ewigkeit also – für die meisten Deutschen. Für die FDP dagegen läuft längst der Countdown: Die Liberalen wollen den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Nicht mit Ach und Krach – sondern mit einem klaren Erfolg: Kurz vor dem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart hat FDP-Vize Wolfgang Kubicki jetzt die Latte hoch gelegt: „Ich gehe davon aus, dass wir ein Ergebnis zwischen sieben und neun Prozent holen“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende dieser Zeitung.

Auch die Koalitionsfrage treibt die Liberalen bereits um: Mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Bund rückte Kubicki ein gutes Stück von der Union ab: „Die CDU ist der erste Ansprechpartner für uns – und umgekehrt. Allerdings reduzieren sich die Schnittmengen mit der Union derzeit deutlich.“ Klar sei, dass es auch andere Koalitionsmöglichkeiten für die FDP gebe – etwa die Wiederauflage der sozialliberalen Koalition: „Es gab Zeiten, in denen SPD und Liberale gut zusammengearbeitet haben – und das waren für Deutschland nicht die schlechtesten.“ Aktuell reicht es allerdings allein rechnerisch nicht für sozialliberale Träume.

In Umfragen liegt die FDP seit Langem nur um die fünf Prozent

Die AfD dagegen, die in Umfragen derzeit deutlich vor der FDP liegt, hat in Kubickis Augen überhaupt keine Zukunft. Sie nehme im Moment den Frust vieler Bürger auf, biete aber keine Antworten. „Das wird keine Erscheinung von Dauer sein“, glaubt der Liberale. „Die AfD wird wieder verschwinden wie ein böser Spuk. Und zwar in dem Moment, wo die Menschen wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik haben.“

Tatsächlich ist es im Moment eher die FDP, die um ihre politische Bedeutung fürchten muss. Seit Langem bewegen sich die Liberalen in Umfragen im Bereich von fünf Prozent – der Wiedereinzug in den Bundestag nach dem krachenden Aus für die Liberalen im September 2013 scheint alles andere als sicher. Doch das gute Abschneiden bei den jüngsten Wahlen in Hamburg und Bremen hat der FDP wieder Mut gemacht – für die nächste Etappe auf dem Weg zur Rückeroberung ihrer alten Rolle als bundesweit relevante politische Kraft: Am 13. März entscheidet sich, ob die FDP nicht nur mit jungen, populären Spitzenfrauen in Großstädten punkten kann – sondern ob sie auch in der Fläche wieder da ist.

In Kubickis Augen ist das keine Frage: Mit Blick auf die drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ist der Fraktionschef im Kieler Landtag zuversichtlich: Er sei sicher, „dass wir am 13. März in alle drei Landtage wieder einziehen werden“, so Kubicki. Aber er weiß auch: Ein schlechtes Abschneiden wird die Chancen der FDP bei der Bundestagswahl erschweren: „Für uns ist jede Wahl eine Schicksalswahl auf dem Weg zum Wiedereinzug in den Bundestag. Was wir brauchen, sind Erfolgsmeldungen.“

Parteichef Christian Lindner will die Liberalen in diesem Jahr in insgesamt fünf Landesparlamente bringen – in Baden-Württemberg sollen sie im Landtag bleiben, in Rheinland-Pfalz wieder einziehen. „Die Stimmen zählen doppelt“, sagt Lindner. „Wenn es die FDP hier schafft, dann ist auch deutschlandweit wieder mit ihr zu rechnen.“ Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Sogar ein Regierungswechsel von Rot-Grün in Mainz und Grün-Rot in Stuttgart zu Schwarz-Gelb in beiden Landtagen ist möglich. In Sachsen-Anhalt dagegen wird es am schwierigsten – in Hans-Dietrich Genschers alter Heimat liegt die FDP deutlich unter fünf Prozent.

Im Herbst folgen dann schließlich noch die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Das neue Jahr – es wird darüber entscheiden, ob die FDP im Bund auf Dauer zur liberalen APO wird, zur außerparlamentarischen Opposition – oder wieder ins Spiel zurückfindet. Doch vieles liegt gar nicht in ihrer Hand: Die Flüchtlingswelle, die Terrorgefahr, die Auslandseinsätze der Bundeswehr – die FDP muss Antworten auf Fragen finden, die auf den ersten Blick nicht zum Kern ihrer Agenda passen. Kritik an der Flüchtlingskanzlerin und ihrer Willkommenspolitik? Das machen CSU und AfD lauter und drastischer. Mehr tun für Bildung und Integration von Zuwanderern? Das wollen alle – von der Union bis zu den Linken. Syrien-Krieg? Anschläge? Islamismus? Alles Themen und Sorgen, bei denen den Menschen nicht gerade als Erstes die Liberalen einfallen.

Lindners neue Wahlkampfidee: ein „Update für Deutschland“ fordern

Das wissen sie selbst. Nach jenem Wochenende, als Frankreich vom Terror erschüttert worden war, wollte die FDP in Berlin ihre Wahlkämpfer für die drei Landtagswahlen im März vorstellen. Drei Männer sollten es diesmal sein – statt zwei Frauen wie in Hamburg und Bremen. Den witzig gemeinten Spruch „Wir können auch Männer“ überklebten sie dann lieber – mit einem Bekenntnis zu Paris und zur Freiheit: „.Unis pour la Liberté“.

Am Mittwoch, beim Dreikönigstreffen in Stuttgart, will Lindner die FDP auf seine neue Wahlkampfidee einschwören: Er fordert ein „Deutschland-Update“, eine Art Modernisierungsschub für die Infrastruktur, die Bildungs- und Wirtschaftspolitik. „Wenn wir nichts tun, spricht man vielleicht schon bald von einer Deutschlandkrise“, sagte Lindner im „Stern“. Das Bild dazu: Ein düster fotografierter Lindner mit Dreitagebart und Augenringen, nur Bond-Darsteller Daniel Craig sieht härter aus. Mit Krisen kennen sich die Liberalen eben gut aus.