Berlin .

Polens neue nationalkonservative Regierung macht ernst: Sie baut den Staat mit atemberaubendem Tempo um, was in der EU scharfe Kritik auslöst. Nach der Entmachtung des Verfassungsgerichts will die Regierung nun den Staatsdienst umkrempeln. Ein am Donnerstag im Senat verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass das komplette öffentliche Führungspersonal gegen Gefolgsleute ausgetauscht werden kann. Höherrangige Verwaltungsposten werden nicht mehr öffentlich ausgeschrieben, sondern per Ernennung besetzt.

Die Opposition warnte vor einer bevorstehenden „politischen Säuberung in der Verwaltung“. Bis zu 1600 Beamte seien davon betroffen. Die rechtspopulistische, in Teilen offen nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verteidigte den Schritt dagegen als Kampf gegen „pathologische“ Erscheinungen. „Wenn ein Abteilungsleiter mehr verdient als die Ministerpräsidentin oder der Präsident, dann ist das eine komische Situation“, sagte die Kanzleichefin von Ministerpräsidentin Beata Szydlo, Beata Kempa.

Die Medien werden nach Gesetzesänderung stärker kontrolliert

Seit die PiS die Regierungsgeschäfte übernommen hat, hat sich die Lage in Polen drastisch verschärft. Die Partei um Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski verfügt in beiden Parlamentskammern über die absolute Mehrheit. Künftig sollen nach dem Willen der PiS auch die Medien verstärkt an die Kandare genommen werden. Nach dem Sejm, dem Unterhaus, billigte am Donnerstag der Senat die Vorlage zum Gesetz. Demnach werden die öffentlich-rechtlichen Medien in sogenannte nationale Kulturinstitute umgewandelt. Das Mandat der bisherigen Intendanten läuft mit sofortiger Wirkung aus. Statt wie bisher der Rundfunkrat entscheidet künftig der Minister für das Staatsvermögen über die Neubesetzung der Vorstands- und Aufsichtsgremien.

Brüssel zeigte sich alarmiert. Die Reform könnte in einigen Punkten gegen europäisches Recht verstoßen, betonte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Auch aus dem EU-Parlament kommt Widerstand. „Die Entscheidungen von PiS, die Rechte des Verfassungsgerichts einzuschränken oder in die Unabhängigkeit der Medien einzugreifen, machen sorgenvoll“, sagte der CSU-Politiker Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion in europäischen Parlament, dem Abendblatt. Damit würden von der polnischen Regierung „zentrale europäische Prinzipien und Werte“ zur Debatte gestellt. „Wir haben großes Vertrauen in die polnische Bürgerschaft und Zivilgesellschaft, mit der Situation umzugehen“, so Weber. Die Europäischen Institutionen würden die Handlungen der Regierung genau beobachten.

Vor Weihnachten waren in Warschau Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen eine „Turbo-Orbanisierung“ im Land zu demonstrieren. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte nach seiner Wahl 2010 erst das Verfassungsgericht entmachtet und anschließend die Verfassung geändert.

Der Drahtzieher des neuen Kurses in Polen ist PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Der Volkswille manifestiere sich im Parlament, erklärte er. „Hier ist Polen!“ Beobachter deuten diese Sätze als Agenda, das Verfassungsgericht, dessen Aufgabe es ist, auch Minderheitenrechte zu verteidigen, unter Hinweis auf einen Mehrheitswillen vollständig zu entmachten – ganz im Stile Orbans.