Berlin .

Kartoffeln aus der Nachbarschaft, Milch aus der Umgebung, Fleisch vom nächsten Bauern: Die große Mehrheit der Deutschen legt Wert auf regionale Lebensmittel. 76 Prozent der Bundesbürger finden es wichtig, dass Produkte aus ihrer Region kommen, bei den Älteren sind es sogar 84 Prozent. Das geht aus dem „Ernährungsreport 2016“ hervor, den Christian Schmidt, Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung, am kommenden Dienstag in Berlin vorstellen wird. Für den Report hatte das Meinungsforschungsinstitut Forsa 1000 Bundesbürger ab 14 Jahren zu ihren Ernährungsweisen und Einstellungen, aber auch zum Einkaufsverhalten befragt.

„Regionalität hat einen hohen Stellenwert für die Verbraucher“, sagte Bundesernährungsminister Christian Schmidt dem Abendblatt. Die Kunden seien bereit, für regionale Produkte auch tiefer in die Tasche zu greifen. Der CSU-Politiker begrüßt das: „Unsere qualitativ hochwertigen Lebensmittel müssen uns ihren Preis wert sein.“ Für die Erzeuger biete das große Chancen, sagte Schmidt: „Die Landwirte können dieses Potenzial nutzen, wenn sie noch stärker auf die regionale Vermarktung setzen.“

Bereits jetzt können Landwirte etwa für regional vermarktete Milch deutlich höhere Preise nehmen als bei einer bundesweiten Vermarktung. „Regionalität ist gut, wenn nicht nur der Kunde kurze Wege hat, sondern auch Produkte aus der Region angeboten werden“, sagte Schmidt.

Der Trend zu regionalen Lebensmitteln hält damit an: Eier, Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukte – das sind die Top Five der im Umland erzeugten Lebensmittel. Viele Studien zeigen mittlerweile, dass die Deutschen regionale Lebensmittel bevorzugen, egal ob sie aus konventioneller oder ökologischer Landwirtschaft stammen. So schneiden Biobauern und konventionelle Landwirte bei der Frage nach dem Verbrauchervertrauen heute fast gleich gut ab, wie eine Marktuntersuchung der Unternehmensberatung A.T. Kearney zeigt. Regionale Landwirte allerdings haben die höchsten Vertrauenswerte.

Ist „Regional“ also längst das neue „Bio“? Für die Verbraucher jedenfalls vermischt sich unter dem Label „Regional“ das Beste aus beiden Welten: Sie wollen die Herkunft ihrer Einkäufe kennen, sie wollen regionale Betriebe unterstützen, die Umwelt durch kurze Transportwege schützen und möglichst frische und hochwertige Produkte mit nach Hause nehmen.

Generell gilt: Die Entscheidung für regionale Produkte steigt mit dem Alter, dem Einkommen und dem Bildungsniveau. Für viele Verbraucher sind regionale Produkte dabei längst mehr als nur Lebensmittel: Sie sind Teil einer Lebenshaltung, die großen Wert auf gutes Handwerk, alte Rezepte und traditionelle Werte legt.

Viele kleine Lebensmittelläden mussten schließen

Doch längst nicht bei allen Deutschen schlägt sich der starke Wunsch nach regionalen Produkten auch im tatsächlichen Kaufverhalten nieder. Das legt bereits ein Blick auf die Einkaufsziele nahe: Auf die Frage, wo sie bevorzugt einkaufen, nannte die Mehrheit der Deutschen den klassischen Supermarkt mit Vollsortiment. Jeder Dritte kauft aber auch gerne im Discounter ein. Das Lebensmittelfachgeschäft landete auf dem dritten Platz. Verschwindend gering ist die Zahl derjenigen, die Lebensmittel im Internet kaufen. Zwar bieten mittlerweile auch Supermärkte und Discounter regionale Lebensmittel an, große Ketten haben längst eigene regionale Produktpaletten im Sortiment. Rege Umsätze machen sie aber gerade bei Obst und Gemüse nach wie vor mit Produkten aus aller Welt.

Egal jedoch, wie weit die Wege ihrer Lebensmittel sind – die Deutschen selbst haben in der Regel kurze Wege bis zum nächsten Geschäft: Sieben von zehn Deutschen können laut „Ernährungsreport“ alle Einkaufsmöglichkeiten in erreichbarer Nähe finden. Dabei kann im Durchschnitt jeder Zweite zu Fuß einkaufen gehen – im Einzelfall aber hängt der Weg von der Größe des Wohnorts ab: In Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern können rund 60 Prozent der Kunden zu Fuß zu den Geschäften laufen, in Orten unter 20.000 Einwohner dagegen können das nur 40 Prozent.

Die meisten anderen erreichen ihre Einkaufsziele per Rad, Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von 15 Minuten. Weniger als jeder Zehnte ist länger unterwegs. Das gilt zum Beispiel für dünn besiedelte Regionen und Landstriche, in denen kleinere Lebensmittelläden schließen mussten und große Einkaufszentren die Versorgung übernommen haben. Das Resultat sind oft verwaiste Ortskerne – die Leittragenden sind vor allem alte und weniger mobile Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, um überhaupt das Nötigste einkaufen zu können.