Berlin. Die Opposition im Bundestag befürchtet schlechtere Qualität nach dem Wechsel zu privatem Betreiber und sieht die Unabhängigkeit in Gefahr

Die Unabhängige Patientenberatung trägt ihre wichtigste Eigenschaft schon im Namen: die Unabhängigkeit. Die Organisation soll Patienten bei allen Fragen rund um die medizinische Versorgung zur Seite stehen. Ob Grippeimpfung, Behandlungsfehler oder Papierkrieg mit der Krankenkasse: Die Unabhängige Patientenberatung (UDP) soll, so steht es im Sozialgesetzbuch, „qualitätsgesichert und kostenfrei“ informieren und „die Patientenorientierung im Gesundheitswesen stärken“. Das alles soll frei von Interessen der Krankenkassen, Ärzte und pharmazeutischen Industrie geschehen. Damit könnte es nun vorbei sein, befürchtet die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink.

Darum geht es: Finanziert wird die Patientenberatung aus den Beiträgen der gesetzlich Versicherten, aber durchgeführt wird sie – bisher – von einer Gesellschaft, hinter der der Sozialverband Deutschland, die Verbraucherzentralen und kleinere Beratungsstellen stehen. Das sind alles Organisationen ohne finanzielles Eigen­-interesse. Ab dem 2. Januar übernimmt diese Beratung die Firma Sanvartis. Das Duisburger Unternehmen verdient sein Geld schon mit Gesundheitsberatung, aber für zahlende Auftraggeber. Auf der Homepage der Firma sind sie aufgelistet: drei Kliniken, zwei Ärzteorganisationen, vier gesetzliche Krankenkassen, zwei Pharmafirmen und eine Apothekenkette. Für diese Kunden betreibt Sanvartis Hotlines oder betreut chronisch kranke Patienten.

„Ein Unternehmen, das selbst damit wirbt, dass jede dritte Person, die bei ihrer Krankenkasse anruft, bei einem seiner Mitarbeiter landet, kann Patienten nicht unabhängig unterstützen“, glaubt die Bundestagsabgeordnete Klein-Schmeink. Seit Monaten kritisiert sie den Anbieterwechsel. Dass es diesen Wettbewerb verschiedener Anbieter gibt, ist gesetzlich vorgesehen. Nachdem der Auftrag europaweit ausgeschrieben war, entschieden sich der oberste Krankenkassenverband und der Patientenbeauftragte der Bundesregierung für Sanvartis.

Belege für die fehlende Unabhängigkeit des neuen Betreibers glaubt Klein-Schmeink in den Antworten des Bundesgesundheitsministeriums auf ihre Fragen entdeckt zu haben. So steht dort, dass die Informationen, mit deren Hilfe die Patientenberater ihre Arbeit machen sollen, aus einer Datenbank stammen, „die von der Sanvartis GmbH lizenziert wird“. Es sehe so aus, sagt Klein-Schmeink, „als ob die UPD künftig auf Basis von Wissensbausteinen beraten wird, die für die Kassen- und Pharmaberatung erstellt wurden.“ Und eben nicht im Interesse der Patienten.

Thorben Krumwiede, neuer Geschäftsführer der Patientenberatung widerspricht und sagt, „nur das Softwaresystem“ für die Datenbank werde durch Sanvartis lizenziert. Die Datenbank selbst sei mit „neutralem“ Inhalt befüllt worden, der sich an medizinischen Leitlinien orientiere. Bestehende Datenbanken der Patientenberatung würden dort eingepflegt.

Auch die Beratungsqualität könnte leiden, meint Klein-Schmeink. So solle es zwar mehr telefonische Berater geben, die länger erreichbar sind. Auch sind mehr Beratungsstellen vor Ort geplant, letztere seien aber unter dem Strich mit weniger Personal ausgestattet als bisher, so die Grüne: „Viele Ratsuchende, die Zeit und Vertrauen benötigen, um über häufig komplexe Probleme zu sprechen, werden so nicht mehr erreicht.“ Vor allem aber sei es falsch, die rechtliche Beratung der Patienten nicht zu stärken. Gerade in diesem Bereich gäbe es den größten Bedarf. Stattdessen soll es laut Gesundheitsministerium „einen starken Ausbau der Beratungskompetenz im Bereich Medizin“ geben. „Das geht am Interesse der Patienten vorbei“, so Klein-Schmeink.

Ein Sprecher des Kassenverbandes sagt dazu: „Ich glaube nicht, dass eine Patientenberatung mit einem privatwirtschaftlichen Gesellschafter automatisch schlechter handelt oder berät.“