Berlin. Mehr als 3000 Bundeswehrsoldaten bleiben auch Weihnachten im Ausland. Wie geht es ihnen so weit entfernt von ihren Familien?

Dieses Jahr verbringt Oberstleutnant Jan H.* den Heiligen Abend in Erbil, Nordirak. 60 Kilometer weiter westlich beginnt das Gebiet des sogenannten Islamischen Staates (IS). Deutschland und andere Staaten bilden im Nordirak Kurden für den Kampf gegen die islamistische Terrormiliz aus. Jan H., 41 Jahre alt, Chef der deutschen Kräfte im Feldlager in Erbil, kommt aus Chemnitz. Er hat schon zweimal Weihnachten auf Auslandseinsätzen gefeiert, 1999 im Kosovo und 2001 in Bosnien. Jetzt hat er Kinder, vier und sieben Jahre alt. Sie werden dieses Jahr ihr erstes Fest ohne den Vater feiern.

3080 Soldaten der Bundeswehr sind aktuell im Ausland stationiert, so der Stand am 15. Dezember. Sie verbringen Weihnachten zum Beispiel im Irak, im westafrikanischen Mali oder auf der Fregatte Augsburg im Persischen Golf. Weit entfernt von ihrer Heimat, ihren Familien, ihren Freunden. Wie gehen die Soldaten damit um?


Nordirak:
Jan H. geht das nüchtern an. Seine Frau habe zu Hause alles im Griff, sagt er. Zudem gibt es im Feldlager von Erbil eine gute Internetleitung. So kann er jeden Tag zu Hause anrufen, Frau und Kinder auf dem Bildschirm sehen und ein bisschen am Leben seiner Familie teilnehmen. Das war im Kosovo noch ganz anders erinnert er sich. Damals konnte er nur ein einziges Mal in der Woche drei Minuten mit seinen Eltern telefonieren.

Natürlich sei Erbil nicht Heimat, sagt Jan H. Doch da nur 100 deutsche Soldaten vor Ort seien, würde man mit der Zeit alle kennenlernen. „Man kann sich nicht voreinander verstecken. Wir sind schon so etwas wie eine große Familie hier.“ Fragt man ihn nach der Stimmung in der Adventszeit lacht H. und sagt: „Der Deutsche ist ja pragmatisch.“ Ein paar seiner Soldaten haben im Feldlager eine Weihnachtsbude gezimmert. Dort werden Waffeln, Glühwein und Kakao verkauft. Hier treffen sich nicht nur die deutschen Soldaten, sondern auch die 300 Soldaten aus den Niederlanden, Schweden, Norwegen und Finnland. „Da rückt man in der Weihnachtszeit schon ein bisschen zusammen“, sagt Jan H. Manchmal kommen auch Briten und US-Amerikaner aus ihrem Feldlager vorbei.

Dass das Einflussgebiet des IS, dessen Kämpfer in Syrien und im Irak morden, Menschen anzünden, Frauen vergewaltigen nur 60 Kilometer entfernt liegt, löst bei H. kein Bedrohungsgefühl aus. „Wir haben gute Sensoren“, sagt er.

Am Heiligen Abend treffen sich die deutschen Soldaten, singen Weihnachtslieder, ein Weihnachtsmann wird Geschenke verteilen, es gibt auch ein Krippenspiel, „mit Augenzwinkern“, wie H. sagt. Später kommen dann Bratwurst und Kartoffelsalat auf den Tisch. Dann gibt es einen Gottesdienst. Mitte Januar wird Jan H. wieder nach Hause fliegen.


Mali
: Draußen sind es mehr als 30 Grad Celsius. „Es ist schon ein bisschen befremdlich“, sagt Jörg L. „Es ist Weihnachten und draußen sehe ich roten Sand und Palmen.“ Doch gerade das empfinde er als angenehm. So müsse er seltener daran denken, dass seine Frau und seine 14-jährige Tochter weit weg sind, in Frankfurt (Oder). Nur manchmal kommt ihm der Gedanke: „Ach ja, es ist ja Weihnachte.“ Jörg L., 44 Jahre alt, Stabsfeldwebel, ist erst vor kurzem in Koulikoro in Süd-Mali angekommen. Er bleibt bis Mitte 2016. 170 Bundeswehrsoldaten bilden hier malische Soldaten aus, die im Norden gegen Islamisten kämpfen.

Jörg L., 43 Jahre alt, ist im Feldlager ein Mann für alle Fälle. Er kümmert sich um alles, was kaputt ist. Es geht um Elektrik, Klempnerarbeiten, Wasserversorgung. Jörg L. arbeitet mit malischen Firmen zusammen. Und es gibt viel zu tun. Der Standard bei vielen Dinge in Westafrika ist einfach nicht so hoch wie in Europa. In Malis Hauptstadt Bamako gab es im November, kurz nach der Terrorserie von Paris, eine islamistische Geiselnahme im Hotel „Radisson“. Mehr als 20 Menschen starben. Eine Bedrohung besteht in Koulikoro nicht, sagt L. Innerlich sei man trotzdem auf alles vorbereitet.

Demnächst werden auch Bundeswehrsoldaten im Norden Malis stationiert. Das Mandat für die UN-Friedensmission „Minusma“ soll Anfang 2016 auf 650 Soldaten erhöht werden. So soll Frankreich nach den Terroranschlägen im Kampf gegen Extremisten entlastet werden. Jörg L. freut sich, dass das Internet im Feldlager gut ist. So kann er zu Hause anrufen, an Weihnachten über Skype auch den großen Familienkreis sehen. „Eine schöne Sache“, sagt Jörg L. „Bei der Familie findet man einwenig Halt.“


Persischer Golf:
Sandra H. sieht jeden Tag, wie französische Kampfflugzeuge vom Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ starten. Sie fliegen nach Syrien, bombardieren Stellungen des IS. Oft ist die Fregatte „Augsburg“ nur zwei Kilometer vom Flugzeugträger entfernt. Die Fregatte „Augsburg“, Besatzung 200 Bundeswehrsoldaten, schützt im Persischen Golf den französischen Flugzeugträger, der nach den Anschlägen von Paris in den Kampf gegen den IS geschickt wurde. Es ist für Sandra H., 26 Jahre alt und aus der Lutherstadt Eisleben in Sachsen-Anhalt, Oberleutnant zur See, das erste Weihnachten in einem Auslandseinsatz. „Schon ein komisches Gefühl“, sagt sie. Viel Adventsstimmung sei seit dem 5. Dezember, als sie durch den Suezkanal gefahren sind, nicht aufgekommen. Einmal in der Woche kann jeder Soldat mit dem Satellitentelefon 30 Minuten mit der Familie sprechen. „Da kann ich beruhigend auf meine Mutter einwirken“, sagt Sandra H. Ihre Mutter habe schon ein mulmiges Gefühl.

Ende der 90er-Jahre wurde noch um jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr gerungen. Heute sind diese der Normalzustand. Das wird sich auch 2016 nicht ändern. Und möglicherweise wird es auch Einsätze geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

* Aus Sicherheitsgründen sind die Nachnamen
der Soldaten abgekürzt.