Berlin/München.

Nach den Verbrechen der Terrorzelle NSU sehen Experten und Innenpolitiker die Gefahr eines neuen Rechtsterrors in Deutschland. „Wir haben eine konkrete neue Terrorgefahr – und die geht von Rassisten aus“, sagte die Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke am Donnerstag bei einer Sachverständigenanhörung im neuen NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Auch Abgeordnete des Gremiums äußerten sich sehr besorgt.

Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt, an neun türkisch- und griechischstämmigen Männern und einer Polizistin. Das Trio flog erst Ende 2011 auf. Ein erster Untersuchungsausschuss im Bundestag hatte das Ermittlungsdesaster in dem Fall etwa anderthalb Jahre lang aufgearbeitet und im August 2013 seinen Abschlussbericht vorgelegt. Wegen vieler offener Fragen gibt es nun eine Neuauflage.

Röpke mahnte, schon in Zeiten des NSU hätten sich parallel weitere militante Neonazi-Zellen entwickelt. Das sei bislang vernachlässigt worden. Die Journalistin, die sich seit vielen Jahren mit Rechtsextremismus beschäftigt und ausgewiesene Kennerin der Szene ist, mahnte, die rechte Gewalt habe seit 2014 eine neue Qualität erreicht.

Sie verwies auch auf die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung und die Anti-Asyl-Proteste. Hinter der scheinbar unorganisierten Wutbürger-Bewegung steckten Drahtzieher aus der rechten Szene, die die Proteste steuerten, sich nach außen aber im Hintergrund hielten. Es gebe eine „gewaltbereite, enthemmte, verrohte Bewegung, die durch und durch rassistisch ist“.

Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses, Clemens Binninger (CDU), mahnte, das Gefahrenpotenzial durch den Rechtsextremismus sei heute noch höher als vor einigen Jahren. Die Gewaltbereitschaft nehme zu, es entstünden neue Gruppen. Die Lage sei sehr gefährlich und brisant.

Die Linke-Obfrau Petra Pau sagte, Deutschland erlebe derzeit eine Welle rassistischer Gewalt. Die Gefahr neuer Rechtsterrorstrukturen sei nicht gebannt. Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic beklagte, Deutschland laufe wieder Gefahr, rechtsextreme Straftaten als regionale Phänomene abzutun und Netzwerke nicht zu erkennen.

Im Münchner NSU-Prozess hat unterdessen der angeklagte frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben bereitwillig erste Fragen des Gerichts zu seiner Kindheit und Jugend beantwortet. Während der Kindheit seien seine Eltern recht streng mit ihm gewesen, sagte Wohlleben. So habe er abends immer um 18.30 Uhr wieder daheim sein müssen. „Wenn ich nicht pünktlich war, wurde das sanktioniert – Hausarrest und solche Sachen.“

Zu seinen politischen Aktivitäten als NPD-Funktionär seit den 90er-Jahren stellte das Gericht noch keine Fragen. Sie spielten aber eine Rolle, als sich der Vorsitzende Richter Manfred Götzl nach Wohllebens Berufstätigkeit erkundigte. Er habe ein Praktikum bei einer Computerfirma absolviert und an einer Website für ein Autohaus mitgearbeitet, antwortete der Angeklagte. Im Gästeforum der Webseite habe jemand einen Eintrag über Wohllebens politische Tätigkeit hinterlassen. Das Autohaus habe seinen Chef informiert. Der „wollte nicht ins Fadenkreuz irgendwelcher antifaschistischer Aktivitäten geraten“ und habe ihm keine feste Stelle gegeben.