Kairo. Vor dem Syrien-Gipfel in New York gehen die Meinungen darüber, was gemäßigte Rebellen und was Terroristen sind, weit auseinander

Die kalte Dusche kam am Dienstag aus dem fernen Moskau. Es sei voreilig, die nächste Syrien-Konferenz für den 18. Dezember nach New York einzuberufen, ließ Russlands Außenminister Sergei Lawrow übermitteln. Wenn es kein Einvernehmen gebe, wer in Syrien ein Terrorist und wer ein Mitglied der Opposition sei, habe ein weiteres Diplomatentreffen über einen politischen Übergangsprozess und „ein solch wichtiges und dringendes Thema“ wie einen Waffenstillstand keinen Sinn, hieß es aus Moskau.

Die unverblümte Warnung zielt vor allem auf Riad, wo Saudi-Arabien diese Woche über hundert Vertreter syrischer Oppositionspolitiker und Rebellenkommandeure zu einem dreitägigen Treffen zusammengetrommelt hat – der bisher wichtigste Anlauf, die Gegner Assads nach fünf Jahren Bürgerkrieg unter einen Hut zu bringen. „Wir versuchen, ein möglichst großes Spek­trum zusammenzubringen“, erklärte im Vorfeld der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir. Eingeladen seien „alle Teile der moderaten Opposition, sämtliche Parteien, Strömungen, ethnischen Gruppen, Religionsgemeinschaften und politischen Fraktionen innerhalb und außerhalb Syriens“. Das Königreich agiert neben Qatar und der Türkei als wichtigste regionale Schutzmacht der Rebellen. Seine Diplomaten sollen die notorisch zerstrittenen Lager auf eine gemeinsame Waffenruhe für Anfang Januar einschwören, damit sich in Syrien nach mehr als 250.000 Toten ein politischer Verhandlungsprozess mit dem Regime in Gang setzen lässt. Gleichzeitig müssen sie eine international akzeptable Linie ziehen zwischen sogenannten moderaten und radikalen Kampfverbänden. Tiefe Gräben gibt es zudem zwischen der politischen Opposition im türkischen Exil und der einheimischen Opposition in Damaskus, die stets für einen Kompromiss mit dem Assad-Regime geworben hat, um Syrien nicht völlig zu zerstören.

Kein Wunder, dass das dreitägige Projekt derzeit mehr Fragen aufwirft, als Antworten bietet. Dass der Mitte November im Wiener Zeitplan vereinbarte Waffenstillstand nicht für den „Islamischen Staat“ gilt, ist bisher der einzige gemeinsame Nenner aller Seiten. Doch schon bei der „Eroberungsarmee“, dem mächtigsten Zusammenschluss islamistischer Brigaden, beginnt das Bild zu verschwimmen. Die Al-Nusra-Front bildet das militärische Rückgrat dieser Allianz. Deren Krieger wurden nicht eingeladen. Sie zählen aus der Sicht von Europa, USA und Russland zu al-Qaida und sollen weiter bekämpft werden.

Andere Verbände wie die „Islamische Armee“ und die „Islamische Bewegung der Levante“ dagegen sollen zum moderaten Oppositionslager gerechnet werden, eine Wahl, die weder den Russen noch den Iranern passt. Zu den Gemäßigten gehören auch die restlichen Brigaden der „Freien Syrischen Armee“. Zusätzlich kompliziert wird die Lage durch die Entscheidung der Saudis, auf Druck der Türkei und des Iraks sämtliche bewaffneten Kurdengruppen von den Oppositionsgesprächen auszugrenzen. Deren Verbände sind bisher die einzigen, die nennenswerte Erfolge gegen den IS auf dem Schlachtfeld erzielen konnten. Und so organisieren die Kurden dieser Tage im Städtchen al-Malikiya ihre eigene Rebellenkonferenz.