Brüssel. Beziehung des Bündnisses zu Russland soll neu ausgerichtet werden. Afghanistan-Einsatz verlängert

Auf der Tagesordnung der Brüsseler Sitzung der Nato-Außenminister waren es zunächst unterschiedliche Punkte: Erst sollte es um „den südlichen Krisenbogen“ und dabei auch um die Nachbarschaft der Türkei gehen, dann um das Thema Russland. Doch nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges durch die Türkei vor einer Woche ist unübersehbar, wie eng beides miteinander verwoben ist.

Aus dem öffentlichen Kräftemessen der beiden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin will sich die Nato heraushalten. Das Bündnis hat seine Solidarität mit dem Verbündeten Türkei erklärt, dessen Luftraum verletzt worden sei. Damit soll es gut sein. Zwar hat der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, Anfang der Woche zu Gast beim Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Angelegenheit zu „einer Frage der Würde“ erklärt. Doch von solchen Überhöhungen wollen sie in der Nato-Zentrale nichts wissen.

Stattdessen sollen „Rückversicherungsmaßnahmen“ dazu beitragen, dass Ankara sein Heil nicht in diplomatischer Kraftmeierei suchen muss. Dabei geht es etwa um Luftraumüberwachung durch Awacs-Flugzeuge, verstärkte Raketenabwehr und die Stationierung von Marineeinheiten im östlichen Mittelmeer. „Wir brauchen die gemeinsame Aufmerksamkeit“, erläuterte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Außerdem bekräftigt die Nato erneut, dass ihre superschnelle Eingreiftruppe („Speerspitze“) auch an der Südflanke jederzeit einsatzbereit ist.

Was Russland anbelangt, geht es um eine strategische Neuausrichtung, die bis zum Nato-Gipfel kommenden Juli in Warschau ausgearbeitet werden soll. Das Land sei nicht mehr der Partner, in den die Nato investiert hat“, sagt Douglas Lute, Nato-Botschafter der USA. Gestützt auf die Erkenntnisse der Militärs wollte Stoltenberg die Minister über Moskaus „substanzielle militärische Aufrüstung“ an unterschiedlichen Schauplätzen unterrichten: Arktis, Kaliningrad, Krim, Syrien.

Nach den Worten des norwegischen Generalsekretärs wird das westliche Bündnis mit einer massiven Verstärkung der eigenen Abwehrmöglichkeiten reagieren. Andererseits gehe es aber darum, „ruhig zu bleiben und Spannungen abzubauen“.

Außerdem hat die Nato eine Verlängerung ihres Militäreinsatzes in Afghanistan beschlossen. „Wir sind in Afghanistan, damit Afghanistan nicht wieder zum Zufluchtsort für internationale Terroristen wird“, sagte Stoltenberg. Die Nato bleibt nach der Entscheidung auch 2016 wie bisher mit etwa 12.000 Soldaten in der Hauptstadt Kabul und in den Regionen präsent. Sie gibt damit den ursprünglichen Plan auf, die ausländischen Truppen zum Jahreswechsel in Kabul zusammenzuziehen und ihre Zahl stark zu verringern.