Berlin.

Der Luftangriff der syrischen Armee nördlich der Hauptstadt Damaskus kostete 120 Menschen das Leben. Hubschrauber warfen Fassbomben auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Duma, mit Metallteilen, Öl und Sprengstoff gefüllte Behälter – die Effekte der international geächteten Bomben sind wegen ihrer streuenden Wirkung verheerend. Für die internationalen Nachrichten war es nur eine kleine Meldung, für die Bürger in den von Rebellen besetzten Gebieten in Syrien ist es brutale Realität: In manchen Monaten bombt die syrische Armee nach US-Angaben mit bis zu 2000 der tödlichen Behälter, auch auf zivile Ziele – mindestens 12.000 Zivilisten sind laut Amnesty International seit 2012 durch Fassbomben gestorben.

Von „Waffen des Terrors“ sprechen die USA. Die Fassbomben sind das Symbol für das Grauen des Bürgerkriegs in Syrien, in dem bisher rund 240.000 Menschen getötet wurden und vor dem immer mehr Syrer fliehen. Jetzt rückt die Erbarmungslosigkeit des Assad-Regimes von Neuem ins Blickfeld: Darf man für den Kampf gegen die Terrororganisation IS gemeinsame Sache mit Baschar al-Assad oder seinen Soldaten machen?

Russland tut es bereits, die französische Regierung denkt nach den Terrorattacken von Paris um: Syrische Regierungstruppen könnten zusammen mit anderen Einheiten am Boden gegen den IS kämpfen, während Frankreich und seine Alliierten aus der Luft bombardieren, sagt Außenminister Laurent Fabius.

Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen deutet die Bereitschaft zur Zweckallianz an: „Es wird keine Zukunft mit Assad geben, das ist klar“, erklärte die CDU-Politikerin. „Aber es gibt Teile der Truppen in Syrien, die man sehr wohl auch hier nehmen kann.“ Später stellte ihr Sprecher klar, unter dem Kommando Assads werde es keine Zusammenarbeit mit syrischen Truppen geben. Doch die Debatte ist eröffnet. Das Auswärtige Amt erklärt, es wäre ein gutes Zeichen für die angestrebte Bildung einer möglichen Übergangsregierung in Syrien, wenn die syrische Armee unter dem Kommando des Präsidenten nun auch gegen die Terroristen kämpfen würde.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dagegen dem Abendblatt: „Ein deutscher Kampfeinsatz an der Seite von Assads Truppen wäre unerträglich.“ Die Frage ist: Wie viel Gräueltaten verantworten Assads Soldaten? Es ist gerade drei Monate her, dass die französische Justiz Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen gegen das Assad-Regime einleitete und Präsident François Hollande eine klare Absage an jede Zusammenarbeit mit Assad erteilte: „Man kann nicht verlangen, dass die Opfer mit ihrem Henker zusammenarbeiten.“

Menschenrechtsorganisationen beklagen, Assads Strategie ziele vor allem auf Zivilisten, die in den von der Opposition besetzten Gebieten leben. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR spricht von systematischen Angriffen auf Wohngebiete. 2013 soll Syriens Präsident sogar Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt haben. Seit Beginn des Bürgerkriegs ist deshalb auch kein Oppositioneller mehr bereit, mit Assad zu kooperieren. Für ihn sind umgekehrt alle Aufständischen im Land Terroristen. Von Anfang an bezeichnete Assad den Kampf gegen die Rebellen als „Kampf gegen den Terror“.

Fast sah es so aus, als würde der Präsident den Kampf verlieren. Seine Streitkräfte erlitten seit 2011 schwere Verluste, die Zahl der Soldaten wird auf nur noch 80.000 bis 100.000 Mann geschätzt – vor vier Jahren waren es noch 300.000. Ohne Hilfe Russlands, Irans und der libanesischen Hisbollah wäre Assad wohl längst gestürzt. Die neue Unterstützung der russischen Luftwaffe aber wendete das Blatt – die syrische Armee hat in einer neuen Offensive deutliche Territorialgewinne erzielt. Russland hat allerdings signalisiert, dass die Unterstützung für Assad nicht von langer Dauer ist – mittelfristig setzt auch Moskau auf einen Machtwechsel, für den bei den internationalen Verhandlungen in Wien bereits Weichen gestellt werden. Das ist der Hintergrund für die deutschen Überlegungen, eine Kooperation mit syrischen Truppen ins Auge zu fassen. Die Regierung will den „totalen Zerfall der Staatlichkeit“ in Syrien verhindern. Nur so lässt sich das zentrale strategische Ziel erreichen, das Regierungskreise in Berlin jetzt für Syrien benennen: Die Einheit des Staatsgebietes zu erhalten und einen Ausgleich zwischen den Religionen zu schaffen.

„Assad und sein Clan haben keine Zukunft – aber es dürfen nicht alle Sicherheitsstrukturen zerschlagen werden“, sagt SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold dem Abendblatt. Sein Unions-Kollege Roderich Kiesewetter warnt: „Man darf in Syrien nicht den Fehler wie im Irak machen, wo sämtliche Streitkräfte entlassen und sich selbst überlassen wurden.“ Assad sei ein „Mann des Übergangs, den wir auch brauchen.“ Doch wie dieser Übergang konkret gestaltet werden soll, ob Assad bei dieser Strategie mitspielt, ist vorerst unklar. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), sagt: „Assad und seine Armee haben Hunderttausende Tote auf dem Gewissen. Eine Kooperation mit seinen Truppen würde nicht zur Befriedung der Region beitragen.“