Berlin. Die Arbeitsministerin muss ihre Pläne für strengere Werkvertragsregeln überarbeiten

Für die letzte Kabinettssitzung vor Weihnachten hat sich Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine besonders frohe Botschaft aus eigener Werkstatt ausgedacht: Kurz vor dem Fest soll die Ministerrunde ihren seit Langem erwarteten Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werkverträgen absegnen – ein Paukenschlag der Ministerin zum Jahresende, ein Signal vor allem an die Gewerkschaften.

Doch jetzt trübt ausgerechnet die Kanzlerin die weihnachtliche Vorfreude von Nahles. Unmissverständlich und öffentlich hat Angela Merkel ihre Ministerin zurückgepfiffen: Was Nahles zur Regulierung der Werkverträge plant, geht für die Kanzlerin über den Koalitionsvertrag hinaus. Über Änderungen werde jetzt „kon­struktiv“ gesprochen, sie sei da Wächterin des Koalitionsvertrags, kündigte Merkel vor den Arbeitgeberverbänden an.

Es ist nicht das erste Mal, dass Merkel ein Vorhaben der Ministerin torpediert; schon Nahles’ Plan einer Anti-Stress-Verordnung für Betriebe kassierte sie auf offener Bühne und ohne Vorwarnung – eine Ansage auch an die Wirtschaft. Dass es diesmal Widerstand geben würde vom Koalitionspartner, hatte Nahles einkalkuliert. Das Hickhack um den Mindestlohn ist ihr eine Lehre. Aber das gleich Merkel persönlich eingreift, obwohl nicht mal die Ressortabstimmung begonnen hat, überrascht in der Koalition schon.

Die SPD-Politikerin wollte sich zur Kanzlerinnen-Grätsche am Mittwoch nicht äußern: Dass Gespräche in der Regierung liefen, sei „ein ganz normales Verfahren des Gesetzgebungsprozesses“, kommentierte knapp eine Ministeriumssprecherin. Tatsächlich droht Streit: Denn Nahles hat schon erklären lassen, sie habe den Koalitionsvertrag „relativ eins zu eins übersetzt“.

Das Gesetz soll im Kern den Einsatz von Leiharbeitern und die Beschäftigung per Werkvertrag ab 2017 strenger regulieren. Leiharbeitnehmer dürfen dann in einem Unternehmen nur noch für längstens 18 Monate beschäftigt werden, es sei denn, die Tarifpartner vereinbaren eine längere Überlassungsdauer. Nach neun Monaten müssen Leiharbeiter beim Gehalt mit Stammpersonal gleichgestellt werden.

Wirtschaftsverbände kritisieren diese Auflagen, haben sich aber überwiegend schon damit arrangiert. Heikler ist der Plan gegen den Missbrauch von Werkverträgen: Nahles will acht Kriterien für die Abgrenzung von Werkverträgen zu normalen Arbeitsverhältnissen festschreiben – die betroffenen Beschäftigten hätten etwa Anspruch auf einen Arbeitsvertrag, wenn sie ihre Arbeitszeit nicht selbst gestalten, in fremden Räumen tätig oder in fremde Arbeitsorganisationen eingebunden sind. Nahles Gesetzentwurf lässt Raum für eine Einzelfallprüfung, die Abgrenzung stützt sich auf Gerichtsurteile. So richtig zufrieden macht die Ministerin damit aber niemanden. Die Gewerkschaften finden den Plan „halbherzig“. Die Arbeitgeberverbände halten das Vorhaben dagegen für „unsinnig und praxisfremd“ und verlangen lautstark eine Korrektur: Aus ihrer Sicht könnten demnächst auch IT-Dienstleister oder der Caterer für die Betriebskantine nicht mehr auf der Basis von Werkverträgen arbeiten.

Auch die Arbeitsmarktexperten der Unionsfraktion beklagen, Nahles gehe hier über das Ziel hinaus. Das hätte Merkel so stehen lassen können. Doch in aller Öffentlichkeit monierte sie nun auch selbst unklare Regelungen im Gesetzentwurf zu den Werkverträgen, die zu weit ausgelegt werden könnten.

Merkel hat aber nicht nur die Wirtschaftsverbände im Nacken, die schon ein „Belastungsmoratorium“ für Unternehmen fordern. In der Union drängen einflussreiche Abgeordnete wie das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn oder Carsten Linnemann, der Chef der Unionsmittelstandsvereinigung, zum Verzicht auf das gesamte Gesetz. Da aber spielt die Kanzlerin nicht mit. Am Koalitionsvertrag lässt sie nicht rütteln. Die von Nahles geplanten Regeln zur Leiharbeit, erklärte Merkel, halte sie „für wichtig und richtig.“