Chicago.

Um das schwindende Vertrauen vieler Afroamerikaner in die Polizei nicht weiter erodieren zu lassen, zückte Barack Obama nach dem skandalösen Tod des jungen Schwarzen Michael Brown in Ferguson das Scheckbuch. 50.000 Polizisten, so verfügte der Präsident vor einem Jahr, seien möglichst bald mit Körperkameras (body cams) auszurüsten. Die Kameras sollten übermäßige Polizeigewalt drosseln. Oder sie später zumindest leichter justiziabel machen.

Was aber, wenn der Bildbeweis längst erbracht und so entsetzlich eindeutig erscheint, dass man sogar Unruhen befürchtet, wenn die Öffentlichkeit davon erfährt? Ausgerechnet in Obamas Heimatstadt Chicago wird am Mittwoch ein Polizeivideo freigegeben, das die Stadt in ein zweites Ferguson verwandeln könnte, wie örtliche Medien befürchten.

Rückblick: Im Oktober 2014 läuft der 17-jährige Laquan McDonald mit etwas zu viel Drogen im Blut und einem Taschenmesser nachts auf der Straße umher. Eine Streife wird aufmerksam. Wenig Minuten später ist McDonald tot. Erschossen. Jason Van Dyke, der 37-jährige Schütze, ein Weißer, gibt an, er habe aus Notwehr gehandelt. McDonald habe Reifen an seinem Dienstwagen aufgeschlitzt, Anweisungen ignoriert und ihn massiv bedroht.

Als der Stadtrat im April ein ungewöhnlich hohes Schmerzensgeld für die Familie McDonalds bewilligt, werden Reporter hellhörig. Sie finden heraus, dass es ein Video gibt, aufgenommen von einer Kamera in dem Streifenwagen. Alle Versuche, die Herausgabe des Bildmaterials zu erreichen, schlagen fehl. Van Dyke bleibt unbehelligt und wird in den Schreibdienst versetzt.

Nun aber hat ein Richter entschieden: Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu sehen, wie McDonald starb. Offenbar wurde er von 16 Kugeln regelrecht zersiebt. „Es war eine Exekution“, vertraute ein Eingeweihter einer Lokalzeitung an. Inzwischen hat sich auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und Mordanklage erhoben. (diha)