London. Neue Umfrage sieht Mehrheit für Brexit. Vor allen die Älteren wollen sich abschotten

Der Trend ist klar: Die Briten werden immer europamüder. Jetzt hat zum ersten Mal eine Umfrage des Instituts ORB für die linksliberale Zeitung „Independent“ eine Mehrheit der Briten für den Ausstieg aus der EU ermittelt. Von zweitausend Befragten sprachen sich 52 Prozent für den sogenannten Brexit aus, während nur 48 Prozent EU-Mitglied bleiben wollen. Die Tendenz zum Austritt ist unter älteren Bürgern am stärksten. Unter den über 65-Jährigen wollen 62 Prozent den Brexit. Genau umgekehrt ist es bei den 18- bis 24-Jährigen, von denen 69 Prozent in der EU verbleiben wollen. Über die Sommermonate hatte es noch in ORB-Umfragen eine Mehrheit von 55 zu 45 Prozent für den Verbleib gegeben. Die Umfrage des „Independent“ ist kein Ausreißer, schon im September hatte eine Meinungserhebung des Instituts Survation eine knappe Mehrheit, 51 zu 49 Prozent, für den EU-Abschied gezeigt. Der Stimmungsumschwung wird vor allem auf die Flüchtlingskrise in Europa zurückgeführt.

Bis Ende 2017 muss in Großbritannien ein Referendum über den Brexit stattfinden, und das Lager der Befürworter des EU-Verbleibs wird nervös. Premierminister David Cameron hatte einen Forderungskatalog vorgelegt, um Reformen innerhalb der EU durchzusetzen. Besonders umstritten unter seinen Forderungen war, den Zugang von EU-Immigranten zu Sozialleistungen einschränken zu wollen. Cameron reagiert auf ein Thema, das die Briten umtreibt: Immigration. Die Flüchtlingskrise hat viele Briten verschreckt und den Reflex verstärkt, sich abschotten zu wollen. Und ein Linksruck bei Labour und den Gewerkschaften, die skeptisch gegenüber einer zu wirtschaftsfreundlichen EU sind, hat dem Lager der Austrittswilligen von links aus Auftrieb gegeben. Doch vor allem ist es der Streit um die Netto-Einwanderung, die 2014 bei 330.000 Zuwanderern lag, der dem Brexit-Lager hilft.